BMW S 1000 RR - ohne Kompromisse

  06 Juni 2020    Gelesen: 1004
  BMW S 1000 RR - ohne Kompromisse

Eine Redewendung besagt, dass das Bessere des Guten Feind ist. Genau dies lässt sich auch über die neue BMW S 1000 RR sagen. Insofern ist aus dem Supersportler ein Super-Supersportler geworden, der keine Kompromisse, nur Zurückhaltung zulässt.

Als vor etwa zehn Jahren der erste Supersportler von BMW aus den Spandauer Produktionshallen rollte, war das Aufsehen groß: Eine 1000er, die auf Anhieb die Konkurrenz das Fürchten lehrte: Mit einem Motor, der mehr als die veranschlagten 193 PS leistete - und das bei einem Gesamtgewicht von weniger als 200 Kilogramm. Das war eine Hausnummer. In einschlägigen Internetforen bekam die S 1000 RR den Beinamen "Beamer". Was sollte da noch kommen?

Nun, beispielsweise die neue S 1000 RR. Sie hat mit dem Ahnen nur noch wenig gemein – die kompromisslose Supersportlichkeit freilich ausgenommen. Ansonsten ist sie ein komplett neues Motorrad mit einem Kampfgewicht von 201 Kilogramm. Sogar den Motor haben die Ingenieure neu aufgebaut. Er verfügt nun über 207 PS und hat variable Steuerzeiten. Was bedeutet, dass die Einlassnockenwelle bei niedrigen Drehzahlen mit kurzen Öffnungszeiten für satten Durchzug und eine andere mit hohen Nockenprofilen für hohe Drehzahlen zuständig ist. Schaltnockentechnik nennen das die Erfinder. Zu erklären, wie das Umschalten im Detail funktioniert, sparen wir uns an dieser Stelle, denn das Ergebnis ist messbar.

Aus der Mitte kommt die Kraft

Gerade in der Drehzahlmitte zwischen 5000 und 8000 Touren drückt die Neue mehr Power auf die Straße als die Vorgängerin. Ab 11.000 Umdrehungen reißen dann 113 Newtonmeter an der Kette. Angesichts des Überflusses an Kraft spürt man diese Verbesserung indes allenfalls auf der Rennstrecke und nicht auf der Landstraße, wo der Hauptteil der Testfahrten stattfand. Doch auch auf diesem Geläuf ist das Triebwerk ein echtes Spektakel. Dank der vier Fahrmodi Rain, Road, Dynamic und Dynamic pro lässt sich die Kraft gut steuern. Insbesondere die präzise Dosierbarkeit beim Gasanlegen macht die BMW auch auf Landstraßen gut fahrbar – man hat ja nicht ständig eine Rennstrecke zur Verfügung.

Um den Motor herum wurde auch das Fahrwerk grundlegend neu aufgebaut und die Ergonomie verändert. Doch keine Angst, die BMW gehört immer noch zu jenen Bikes, mit denen sich auch eine Landstraßentour absolvieren lässt, ohne dass man nachher zum Physiotherapeuten muss. Was jedoch schon auf den ersten Kilometern aufgefallen ist: Die neue S 1000 RR erinnert stark an einen 600er-Supersportler - eine Klasse, die fast ausgestorben ist.

Das liegt daran, dass sie ungemein kompakt und handlich wirkt. Erst ab 1,90 Meter muss man die Beine doch ein wenig weiter zusammenfalten, um die Füße auf die Fußrasten zu bekommen. Der Wunsch, bei hohen Geschwindigkeiten Windschutz hinter der Scheibe zu finden, bleibt - egal welche Körpergröße man hat - unerfüllt.

Ordentlicher Gegenwind bei kernigem Sound

Dabei wäre es schon hilfreich, wenn man sich bei Geschwindigkeiten jenseits von 240 km/h ein wenig abducken könnte. Allein auf dem recht harten Sitzbrötchen ganz nach hinten zu rutschen und sich möglichst flach zu machen, bringt gerade so viel, dass man nicht vom Bike geweht wird. Abseits des Windes hat man trotz der kompakten Abmessungen der S 1000 RR nie das Gefühl, das Motorrad verliere seine Ruhe. Im Gegenteil: Der Radstand hat im Vergleich zum Vorgänger um drei Millimeter auf 1,441 Meter zugelegt. Und wir wissen ja: Länge läuft. Dass die Dämpfung elektronisch geregelt wird, darf man in dieser Klasse mittlerweile als selbstverständlich ansehen. Dennoch hat BMW auch hier ein wenig nachgebessert und novelliert.

Vertrauen schenkt die Neue von dem Moment an, in dem man mit ihr die erste Kurve in Angriff nimmt. Aber Achtung: Das Gefühl für das Vorderrad ist so gut, das es den Piloten schnell zu tiefen Schräglagen verleitet. Prominentestes Beispiel, dass das nicht immer gut gehen muss, ist Sebastian Preuss, ehemaliger Bachelor, der die ihm eigens von BMW überlassene S 1000 RR mutmaßlich genau dadurch zerlegt hat.

Da halfen dann auch die Pirelli Supercorsa, hinten in 200er Breite, nicht. Wer es aber richtig anfängt, mit der S 1000 RR, wird auch in den Kurven mit Sicherheit seine Freude haben. Die Gänge wechseln dank des verbesserten Schaltassistenten flugs hoch und wieder runter, während die Bremsen die enorme kinetische Energie wirkungsvoll einfangen. Der Motor schreit seine Freude kernig, aber nicht übertrieben laut hinaus.

Gebaut für den Rundkurs

Einen weiteren großen Fortschritt stellt das TFT-Display dar. Es ist bei jedem Licht wunderbar ablesbar, gibt allzeit jene Informationen, die man gerne möchte und erlaubt – gemeinsam mit dem Drehrad an der linken Armatur – den Zugang zum Bordcomputer, der nicht mehr wegzudenken ist. Über ihn lassen sich die zahlreichen elektronischen Helferlein wie Traktionskontrolle (4-fach), Wheelie-Kontrolle (3-fach), Motorbremsmoment (3-fach) und Beschleunigungskontrolle einstellen und bei Bedarf auch abschalten.

Für die Rennstrecke stellt BMW nunmehr drei Race-Modi zur Verfügung, die eine Abstimmung je nach Fahrerwunsch anbieten. Sowieso ist der Führerschein auf einem Supersportler wie der S 1000 RR in ständiger Gefahr, denn bei Beschleunigungswerten von 3,1 Sekunden von Null auf 100 km/h oder 7,0 Sekunden auf 200 km/h hat man jedes Limit schnell vergessen – so man das Schild überhaupt gesehen hat. Als Topspeed gibt BMW 306 km/h an. Eine Geschwindigkeit, die glaubhaft klingt, im Test aber nicht überprüft wurde.

Das neue sportliche Meisterwerk aus München sollte eigentlich schon im Sommer des vergangenen Jahres ausgeliefert werden, doch stellte sich heraus, dass eine Ölbohrung nicht richtig gefertigt wurde und ein Getriebeschaden drohte, sodass diese Saison die erste richtige für die neue "Beamer" ist.

Günstig ist so viel präzise Performance natürlich nicht. Der Grundpreis von 18.900 Euro dürfte nur ein Richtwert sein, es ist davon auszugehen, dass keine S 1000 RR "nackt" über den Ladentisch geht, der ja zum Glück nun wieder geöffnet ist. Vielmehr sollte man mit deutlich über 20.000 Euro rechnen. Weniger wichtig ist bei einem solchen Bike der Verbrauch: Der Vollständigkeit halber sei er hier erwähnt: Er lag im Mittel bei 6,3 Liter.

Das Fazit am Ende des Tests ist übrigens das Gleiche wie vor zehn Jahren: Es ist kaum vorstellbar, dass sich dieses Motorrad noch einmal verbessern lässt.

Quelle: ntv.de, hpr/sp-x


Tags:


Newsticker