Angela Merkel bricht aus Sicht ihrer eigenen Leute also nicht nur das Recht, sondern auch die Prinzipien ihrer CDU - ein harter Vorwurf. Faktisch kündigen die Unterzeichner Merkel die Gefolgschaft auf: "Ein großer Teil der Mitglieder und Wähler unserer Partei fühlt sich von der gegenwärtigen Linie der CDU-geführten Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik nicht mehr vertreten."
34 Kreisvorstände, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete aus acht Bundesländern haben den drei Seiten langen Brief unterzeichnet. Parteiprominenz findet sich kaum auf der Liste, auch kein Bundestagsabgeordneter. Trotzdem dürften Merkel und ihr Generalsekretär Peter Tauber das Stimmungsbild ernst nehmen. Denn die Unterzeichner gehören zum Rückgrat der Partei, sie halten den Laden an der Basis am Laufen und müssen unpopuläre Entscheidungen gegenüber den Mitgliedern vertreten.
"Ich habe den Brief unterschrieben, weil ich keinen anderen Weg mehr sehe, meiner tiefen Sorge über die Flüchtlingspolitik Ausdruck zu verleihen", sagt Sven Rissmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und einer der Initiatoren des Briefes. "Wir befinden uns vor Ort jetzt schon in Teilen im Ausnahmezustand."
Ein anderer Unterzeichner, Mark Reinhardt, stammt aus Merkels Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. "Ich glaube, dass es wichtig ist, die Stimmungen an der Parteibasis und in der Bevölkerung aufzunehmen und an die Parteiführung hautnah weiterzugeben", sagt Reinhardt, der auch Landtagsabgeordneter ist. "Der jetzt eingeschlagene Weg muss korrigiert werden, damit wir unsere Gesellschaft nicht überfordern."
Über weite Strecken ist der Brief eine reine Zustandsbeschreibung: Die Autoren beklagen den "ungesteuerten Zustrom von mehreren Tausend Flüchtlingen" und kritisieren, dass andere EU-Partner diese Menschen "einfach nach Deutschland weiterleiten" würden. Merkel wird gewarnt, dass die "Aufnahmekapazitäten Deutschlands bis an die Grenzen gespannt und an manchen Orten bereits erschöpft" seien und dass die Mehrheit der Zuwanderer aus Ländern kämen, "deren vorherrschende Gesellschaftsbilder deutlich von unseren westlichen Werten abweichen". Der innere Friede im Land sei in Gefahr.
Die Unterzeichner fordern ein klares Abwehrsignal
Aber die Absender wollen nicht nur meckern, sie schlagen fünf "Maßnahmen" vor, die Merkel zeitnah ergreifen solle. An erster Stelle nennen sie die "Wiederherstellung der Geltung des europäischen und deutschen Rechts": Solange die Schengen-Außengrenzen "faktisch offen sind", sollten Flüchtlinge direkt "an der deutschen Grenze abgewiesen" werden. Wenn nach der Dublin-Verordnung andere EU-Staaten für die Menschen zuständig seien, müssten diese "innerhalb weniger Wochen" dorthin überstellt werden.
Die weiteren Forderungen wurden schon oft erhoben: Abgelehnte Asylbewerber müssten "zeitnah und konsequent abgeschoben" werden, Griechenland und die Türkei müssten mehr Hilfe, aber auch mehr Druck spüren, und speziell die Syrien-Flüchtlinge sollten möglichst in ihrer Herkunftsregion versorgt werden.
Vor allem wollen die Unterzeichner ein klares Signal Merkels an die Flüchtlinge: "Sie persönlich sollten über Zeitungsanzeigen in Hauptherkunftsländern sowie über soziale Netzwerke verbreiten, dass nicht politisch verfolgte Flüchtlinge kein Recht haben, nach Deutschland zu kommen."
Bisher hat die Kanzlerin bewusst auf eben diese Signale verzichtet. Am Donnerstag beginnen die "Zukunftskonferenzen" der CDU; auf vier Sitzungen wird die Parteichefin mit der Basis diskutieren. Dann könnte sie ähnlich harte Worte hören, wie im Brief ihrer Parteifreunde.
Zusammengefasst: 34 Kreisvorstände, Bürgermeister und Landtagsabgeordnete aus acht Bundesländern haben einen drei Seiten langen Brandbrief an Angela Merkel geschrieben. Die Unterzeichner gehören zum Rückgrat der Partei - und sie sind unzufrieden mit der Arbeit der Kanzlerin und der CDU-geführten Bundesregierung. Sie werfen Merkel vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik die Grundsätze der Partei zu missachten und das Recht zu brechen.
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