Umfrage: Russen mögen Stalin wieder, möchten ihn aber nicht zurückhaben

  26 März 2016    Gelesen: 1071
Umfrage: Russen mögen Stalin wieder, möchten ihn aber nicht zurückhaben
Die Russen sehnen sich immer mehr nach Josef Stalin, schreibt die Zeitung „Wedomosti“ am Freitag.
Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum finden 54 Prozent der Befragten, dass Stalin eine positive Rolle in der Geschichte des Landes gespielt habe. Ungefähr dieselbe Zahl der Menschen hält ihn für einen weisen Führer, unter dem die UdSSR aufgeblüht sei.
Dennoch sagten 60 Prozent der Befragten, sie wollten nicht unter einem solchen Führer leben. (zum Vergleich: 2008 hatte sich diese Zahl auf 74 Prozent belaufen.) Zwei Drittel der Teilnehmer der Studie halten Stalin jedoch nach wie vor für einen Tyrann, der Millionen Unschuldige getötet habe, obwohl 23 Prozent dieser Befragten gleichzeitig zugaben, positive Gefühle für ihn zu empfinden.
Etwa 50 Prozent sagten, die Repressalien unter Stalin seien ein Verbrechen gewesen, doch immer größer wird die Zahl derjenigen, die glauben, es habe sich dabei um „eine politische Notwendigkeit“ gehandelt.

Die Russen möchten in anderen, ruhigeren und besseren Zeiten leben, aber für jede Epoche passe ein besonderer Führertyp, der die Aufgaben der jeweiligen Zeit erfolgreich lösen könne, erläuterte der Vizeleiter des Lewada-Zentrums, Alexej Graschdankin. „Stalin war nach Auffassung der Russen die geeignete Führungsfigur in der Kriegszeit und in kritischen Zeiten, als eine ‚harte Hand‘ nötig war“, so der Soziologe. „Auch jetzt scheint er die geeignete Figur zu sein. Dabei möchten die Russen nicht in solchen Zeiten leben.“
Die wachsende Popularität Stalins führte Graschdankin auf den jüngsten Stimmungswandel in Russland zurück. Stalin sei die widerspruchsvollste Figur in der Geschichte des Landes, und dass er inzwischen anders wahrgenommen werde, sei damit verbunden, dass ein solcher Führungsstil nach Einschätzung der Russen für die aktuelle Zeit gefragt sei.

Es gebe das so genannte soziale Gedächtnis, sagte der Politologe Alexej Makarkin. Die Menschen wissen, dass Stalins Ära die Kriegszeit und eine grausame Enteignung der Großlandwirte war, und sie möchten nicht in diesen Zeiten leben. „Sie wollen sozusagen ein Computerspiel spielen, in dem (der sowjetische Marschall Georgi) Schukow Berlin erobert, wollen aber nicht in einem Land leben, in dem sie jederzeit aus ihrem Haus geworfen werden können.“
Wie Stalin künftig von den Russen eingeschätzt werde, hänge von der weiteren Entwicklung der Situation, darunter von der Art und Weise ihrer Beleuchtung in den Medien, ab, vermutete Makarkin. Sollte sich die Situation weiter verschlechtern, könnte die Zahl der Stalin-Anhänger noch größer werden. Aber dass die meisten Russen ihn auf einmal positiv bewerten werden, sei unwahrscheinlich, ergänzte der Politologe.

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