Russland kündigt weitere "Dezimierung" an

  24 November 2022    Gelesen: 472
  Russland kündigt weitere "Dezimierung" an

Die Lage ist verzweifelt: Nach den massiven Angriffen durch die russischen Truppen gibt es in weiten Teilen der Ukraine weder Strom noch Wasser, allein in Kiew sind es 80 Prozent der Haushalte. Doch Moskau will an seiner Strategie festhalten, bis Kiew eine "realistische Haltung" einnehme.

Nach massiven russischen Angriffen auf kritische Infrastruktur in der Ukraine hat sich auch der UN-Sicherheitsrat in New York eingeschaltet - wo sich Russland allerdings wenig nachgiebig zeigte. Sein Land werde das militärische Potenzial der Ukraine weiter dezimieren, bis Kiew eine "realistische Haltung" zu Verhandlungen einnehme, sagte der Moskauer UN-Botschafter Wassili Nebensja in dem Gremium. Die Angriffe auf die Infrastruktur seien die Antwort "auf das Vollpumpen des Landes mit westlichen Waffen und die unklugen Aufrufe, Kiew solle einen militärischen Sieg über Russland erringen".

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte vor dem UN-Sicherheitsrat eine weitere Verurteilung Moskaus. Russland müsse deutlich als terroristischer Staat bezeichnet werden, sagte Selenskyj, der per Video zugeschaltet war. Das Treffen des Rates war zuvor nach einer Forderung von Selenskyj kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Die Angriffe auf die kritische Infrastruktur, die zu weitreichenden Stromausfällen geführt hätten, seien "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Selenskyj. Er forderte mehr Unterstützung bei der Luftabwehr und bat darum, dass Expertenteams der Vereinten Nationen die Schäden untersuchten. "Die Besatzer tun alles, damit Menschen leiden, damit wir einander nicht einmal fühlen oder sehen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Auch die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, verurteilte die Angriffe auf die kritische Infrastruktur scharf. Diese seien nach internationalem Menschenrechtsgesetzen untersagt und bei Verstößen dagegen müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

80 Prozent in Kiew ohne Strom und Wasser

In der Ukraine versuchten Techniker fieberhaft, ein weiteres Mal die schwer angeschlagene Energieversorgung ihres Landes zu reparieren. Das Präsidialamt in Kiew meldete am späten Mittwochabend erste Erfolge: In 15 Gebieten gebe es teilweise wieder Strom, teilte Vizechef Kyrylo Tymoschenko mit.

Russland hatte am Mittwoch etwa 70 Raketen sowie Drohnen auf die Ukraine abgeschossen. Zwar wurden nach Luftwaffenangaben 51 Raketen und 5 Drohnen abgefangen. Doch die übrigen Geschosse töteten zehn Menschen und richteten zum wiederholten Mal schwere Schäden am Stromnetz der Ukraine an. Die Kernkraftwerke des Landes schalteten sich ab, die meisten Wärme- und Wasserkraftwerke fielen aus, wie das Energieministerium mitteilte. Es kam zu großflächigen Blackouts.

In der Hauptstadt Kiew mit ihren drei Millionen Einwohnern waren nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko 80 Prozent der Haushalte ohne Strom und Wasser. Journalisten berichteten, sie hätten die Stadt noch nie so finster gesehen. Die Verwaltung wollte handbetriebene Sirenen und Lautsprecher einsetzen, um in Stadtteilen ohne Strom vor möglichen weiteren Luftangriffen zu warnen. "In Kiew ist die Lage schwierig", sagte Selenskyj. "Die Arbeiten dauern die ganze Nacht." Ein Ergebnis sei erst am Vormittag zu erwarten.

Kritik an Russlands Raketenangriffen

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu den Angriffen, der russische Präsident Wladimir Putin zeige einmal mehr, wie rücksichtslos und erbarmungslos er in diesen Krieg vorgehe. "Ein Krieg, den er auf dem Schlachtfeld gar nicht mehr gewinnen kann, so viel scheint klar." Er forderte Putin auf, seine Truppen abzuziehen und in Friedensgespräche mit der Ukraine einzuwilligen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Angriffe als Kriegsverbrechen, die Konsequenzen haben müssten. Gleichwohl kündigte Macron an, dass er demnächst wieder Kontakt zu Putin aufnehmen wolle. Auch die USA verurteilten die Angriffe.

Bei einem Verteidigungsgipfel früherer Sowjetrepubliken forderte auch der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew einen Friedensschluss in Russlands Krieg gegen die Ukraine. "Was die Ukraine betrifft, denke ich, dass die Zeit für eine kollektive Suche nach einer Friedensformel gekommen ist", sagte Tokajew beim Gipfeltreffen der von Russland dominierten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa


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