Die riskanten Gaskäufe im Auftrag der Bundesregierung zur Befüllung der Speicher haben einem Medienbericht zufolge zu bilanziellen Milliardenverlusten geführt. Demnach werden diese Verluste diesen Winter beim Ausspeichern aller Voraussicht nach festgeschrieben. Für das drohende Minus müssen höchstwahrscheinlich die deutschen Gaskunden aufkommen.
Nach Informationen des Fachdienstes "Tagesspiegel Background" aus Parlamentskreisen kaufte die von der Regierung beauftragte Trading Hub Europe (THE) bis Anfang November dieses Jahres knapp 50 Terawattstunden Erdgas. Sie wurden in den deutschen Gasspeichern eingelagert. Das beschaffte Volumen entspricht rund einem Fünftel der gesamten Speicherkapazitäten in Deutschland. Der Durchschnittspreis beim Einkauf ist den Informanten zufolge, die sich auf Regierungsunterlagen berufen, mit rund 175 Euro pro Megawattstunde deutlich höher als der derzeitige Marktpreis von Gas. Insgesamt wurden knapp 8,7 Milliarden Euro ausgegeben.
Diese Handelsposition befindet sich nun deutlich im Minus, da die Preise im Großhandel für Erdgas gefallen sind. Gas zur Lieferung in den kommenden Monaten wird im zentraleuropäischen Markt fast durchgängig für rund 145 Euro gehandelt. Derzeit wäre also bei einem Verkauf mit einem Verlust in der Größenordnung von rund 1,5 Milliarden Euro zu rechnen, auch wenn die Summe ohne Einblick in die Handelsbücher nicht genau beziffert werden kann. Fällt der jüngst gestiegene Gaspreis wieder, könnten die Verluste stark ansteigen.
Berlin schweigt zu Geschäftsdetails
Die Bundesregierung schweigt zu den Details der Geschäfte. Das Wirtschaftsministerium hält die entsprechenden Informationen unter Verschluss, sie werden als geheim eingestuft. Das BMWK "kann die von Ihnen erbetenen Informationen zu Einkaufspreisen der Trading Hub Europe GmbH nicht öffentlich zur Verfügung stellen", hieß es auf Anfrage von "Tagesspiegel Background" offiziell.
Es sei "nicht zwangsläufig gesetzt, dass es überhaupt zu wirtschaftlichen Verlusten kommen muss", teilte ein Sprecher mit. "Zum Zeitpunkt des Beginns der Umsetzung der Tätigkeit nach den Gasspeicherregelungen des Energiewirtschaftsgesetzes ging es vornehmlich darum, umgehend und zügig die Befüllung der Speicher durchzuführen." Damit sei man "erfolgreich" gewesen. Seit Anfang Oktober - damals waren die Speicher allerdings schon nahezu voll - sei THE zudem in den Terminmarkt eingestiegen.
"De facto als Spekulant betätigt"
Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller sagte im "Tagesspiegel Background"-Interview, man habe die Sache nun "im Blick". Es habe außer THE "keinen anderen Akteur, der das hätte tun können" gegeben, die Erfahrung mit Gaseinkauf in großen Mengen sei nicht ausgeprägt gewesen. "Wir haben aber so schnell wie möglich nachgesteuert", betonte er.
Branchenexperten kritisieren das Vorgehen dennoch scharf. THE habe "noch Monate nach Start der Gasbeschaffung ausschließlich am Spotmarkt agiert und die Positionen weiterhin nicht abgesichert", sagte Hanns Koenig vom Analysehaus Aurora Energy Research. "Das lässt sich nur mit mangelnden technischen und ökonomischen Fähigkeiten erklären und das hätte in einem so langen Zeitraum behoben werden müssen."
Lion Hirth, Energiepolitik-Professor an der Hertie School, sagte: "THE hat sich angestellt wie ein Energiemarkt-Anfänger, der nichts von Risikomanagement versteht." Im Ergebnis habe sich der deutsche Staat "de facto als Spekulant betätigt". In der Branche macht zudem die Runde, dass THE zeitlich sehr voraussehbar und zu jedem Preis Gas beschaffte - andere Händler hätten sich gegen diese starre Einkaufsstrategie schnell optimiert, also daraus für sie profitablere Handelsstrategien abgeleitet.
Quelle: ntv.de, jpe/DJ
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