Mal Hand aufs Herz: Welcher Sportwagen-Besitzer fährt richtig schnelle Runden auf dem Track? Womöglich zwar mehr als Geländewagen-Besitzer im Gelände, dennoch sieht man die meisten automobilen Athleten auf den Flaniermeilen großer Städte. Doch das ist nur eine Vermutung. Aber wer sich öfter mal am Nürburgring oder anderen Tracks tummelt, kann dort sehr wohl Supersportler in Aktion entdecken. Vor allem auf der Nordschleife. Dass aber unter der Außenhaut von veritablen Sportlern ein Hybridantrieb sitzt, ist aktuell noch recht neu.
Neben einigen wenigen hochexklusiven Kleinserien tummeln sich inzwischen aber doch die ersten Volumensportler mit mehreren Triebwerken auf dem Markt. Wobei Volumen stark relativ zu betrachten ist. Aber Modelle wie Ferrari 296 oder Lamborghini Revuelto sind eben keine limitierten Sammlerstücke. Hobbyracer sehen das tendenziell kritisch, weil dem Akku die Energie ausgeht nach langen Volllast-Phasen (wie auf der Nordschleife üblich).
Sei es drum, jetzt steht hier ein McLaren Artura Spider, der übrigens zur Einsteiger-Riege im Segment gehört. Ja, Sie schmunzeln jetzt sicher angesichts rund 273.000 Euro Basispreis. Aber andere Vertreter sind eben nicht unter 300.000 Euro zu bekommen. Der Antriebsstrang des Artura ist ja in Grundzügen bekannt, aber für das neue Modelljahr haben die Ingenieure leicht nachgelegt. So gesellen sich zu den 95 elektrischen Pferden (225 Newtonmeter) jetzt 605 statt 585 PS, die der Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder erzeugt. Macht 700 PS Systemleistung.
Leichter geht Cabrio kaum
Gut, jetzt könnte man sagen, die braucht der Spider auch, weil er schwerer ist als das Coupé (dieses bekommt das kleine Leistungsplus allerdings ebenso). In der Tat zeigt die Waage hier 62 Kilogramm mehr an. Aber 1,5 Tonnen Trockengewicht sind immer noch ganz schön wenig für ein Auto mit zwei im Carbonchassis integrierten Maschinen. Und acht kleine Elektromotoren kommen ja noch hinzu: Schließlich will das Verdeck (auf Wunsch mit elektrochromatischem Smartglas samt Verdunklungsfunktion per Knopfdruck) geöffnet und auch wieder geschlossen werden. Und das geht bis 50 km/h. Ach ja, das geringe Mehrgewicht lässt sich auch damit erklären, dass die Entwickler keine zusätzlichen Versteifungsmaßnahmen treffen mussten, weil die Kohlenstoffkarosse eben unglaublich stabil ist.
Neugierig auf eine Ausfahrt? Dafür haben die Briten ausgewählte Landschaften in Südfrankreich vorgesehen, die einsam genug sind, um auch mal die eine oder andere unbemerkte Beschleunigungsorgie zu vollziehen. Aber! Das erste auffällige Merkmal ist, dass der McLaren betont leise an die Arbeit geht nach dem Druck auf den neuerdings lachsfarbenen (Hausfarbe eben) Startknopf. Je nach Modus und Ladestand des 7,4-kWh-Speichers - reicht für 33 Kilometer elektrische Fahrt - grummelt der Dreiliter zwar angriffslustig vor sich hin, strapaziert aber das Trommelfell nicht. Dreht der aus dem Trockensumpf mit Schmiermittel versorgte Sechsender jedoch Richtung 8000 Touren, schreit er wohlkomponiert kehlig und die modifizierte Abgasanlage unterstützt akustisch nach Kräften. Vielleicht doch etwas zu strapaziös? Aber nein.
Hohes Spaßlevel beim Artura Spider
Dafür strapaziert der Artura den Geist jedoch in Form von zu viel Auswahl. Es gibt zwei Fahrmodusschalter. Aber warum? Würde nicht einer reichen? Gut, ich konfiguriere mir meine Wunscheinstellung zurecht. Ich möchte die Maschine im Nacken mit voller Leistung schieben lassen - bekomme ich, wenn der rechte Wahlschalter auf "Komfort" oder auf "Sport" steht.
Bei "Sport" springt der Verbrenner allerdings merklich schneller hinzu bei maximaler Lastanforderung. Aber bitte nur bei wirklich freier Straße ausprobieren, denn der Artura hämmert so derartig wuchtig nach vorn, dass einem schummerig werden kann (drei Sekunden bis 100 und 8,4 Sekunden bis 200 km/h plus 330 Sachen Topspeed).
In Kombination mit schönen Kehren wird das Spaßlevel dann noch einmal deutlich angehoben. Da passt außerdem gut, dass der achtgängige Doppelkuppler jetzt schneller schaltet als früher. Und genauso gut, wie der Brite auf Tempo kommt, verzögert er auch, was ja für hohe Gesamtperformance ebenfalls nicht ganz unwichtig ist. Hier haben die Techniker noch einmal nachgelegt mit optimierter Kühlperformance.
Ich wundere mich, warum sich mit den serienmäßigen Keramikscheiben so punktgenau hantieren lässt. Denke mir, das Blending (Übergang von Schubrekuperation zu Reibbremse) funktioniert hervorragend. Ha! Weit gefehlt. Denn der Artura rekuperiert überhaupt nicht. Klar wird die Batterie mit Strom gespeist. Entweder der Verbrenner füttert zu. Oder aber im Schub, da funktioniert das Bestromen dann auch ohne zusätzlichen Kraftstoffverbrauch, weil der Verbrenner ohnehin mitgeschleppt wird.
Hüllen fallen binnen elf Sekunden
Und jetzt, da die Sonne scheint, heißt es: Dach auf! Geht auf Knopfdruck ziemlich schnell (elf Sekunden) und dann ist auch Sturm in der Bude. Und bei einer offenen Variante stellt sich immer die Frage, ob der offene Artura eher ein Cruiser oder ein Racer ist. Ganz klar: Racer. Aber einer, in den man nach dem optisch imposanten Öffnen der Scherentüren ohne besondere Akrobatik hereinschlüpfen kann. Und dann sind die leichten Schalensitze gar nicht mal so unbequem. Und Dämpfer mit jetzt schneller ansprechender Kennlinienveränderung machen aus dem Artura einen angenehmen Begleiter auch auf entspannten Touren ohne den Drang, die letzte Zehntelsekunde herauszuholen zu müssen.
Dass McLaren dem Artura auch entspannte Passagen zutraut, ist nicht zuletzt am stets verbauten Tempomat abzusehen. Mindestens eine der im Pressetext angepreisten Neuerungen in dem 4,54 Meter langen Topsportler erfüllt die Erwartungen allerdings nicht. Dazu gehört auch die Smartphone-Ladeschale. Bitte lieber ein Kabel verwenden. Wenn das das einzige Problem ist, müsste sich der Artura Spider ja wie geschnitten Brot verkaufen. Mist, da wäre ja noch die Kleinigkeit des Anschaffungspreises. Es hat eben einen Grund, warum ein Traumauto ein Traumauto ist.
Quelle: ntv.de
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