Konzerne klagen – Wir zahlen: Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat aushebeln- VIDEO

  21 Oktober 2015    Gelesen: 560
Konzerne klagen – Wir zahlen: Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat aushebeln- VIDEO
Gestern startete in Miami die 11. Verhandlungsrunde zwischen EU und USA für das Freihandelsabkommen TTIP. Darin geht es um die Themenbereiche Marktzugang, Regulierungsfragen und Handelsregeln. Es ist das wichtigste Thema im gesamten TTIP-Verhandlungen, wird aber auch diese Woche ausgespart: Der Investitionsschutz genannt ISDS und die damit verbundenen Schiedsgerichte. Um so wichtiger ist es, dass solche Filmbeiträge, wie „Konzerne klagen – Wir zahlen „ eine breite Masse erreichen.

Was Schiedsgerichte sind und welche Macht sie ausüben wird anhand von Beispielen im Film so richtig deutlich.

Nachdem Kanada mit USA den Freihandelsabkommen schloss, dass sogenannte NAFTA-Abkommen, ist Kanadas der meist verklagte Staat der Welt. Man spricht von einer Privatisierung des Handelsrechts. 2014 waren vor den Schiedsgerichten Prozesse mit Schadensersatzansprüchen an Regierungen in Höhe von 12,4 Milliarden US-Dollar anhängig. Ein Geschäft, mit dem sich gut Geld verdienen lässt.

Wie sagte im Film der Kanadier, warum sollen Konzerne noch investieren, wenn diese eh 300 Millionen Dollar zugesprochen bekommen, ohne überhaupt erst mit der Investition angefangen zu sein. Die Kanadier Kemp Stanton und Don Mullen haben mit ihrer Bürgerinitiative den Bau eines Steinbruchs verhindert. Das US-Unternehmen, das im Land investieren wollte, zog vor ein nicht staatliches Schiedsgericht – und gewann. Nun muss Kanada eine Entschädigung zahlen, 300 Millionen Dollar!!

Geheime Sondergerichte, in denen Rechtsanwälte über Milliardensummen an Schadensersatz dealen?

Seit den 90er Jahren ist die Anzahl der Klagen von Konzernen gegen Staaten von null auf über 600 Fälle gestiegen. Längst haben sich Kanzleien auf das Geschäftsmodell spezialisiert. Anwälte, die für diese Klagen angeheuert werden, kassieren bis zu 700 Dollar pro Stunde. Nicht selten bringt eine Klage 15 bis 30 Millionen Dollar ein.

In der Branche herrscht deshalb eine Art Casino-Stimmung. Banken, Hedgefonds und Versicherer investieren in den jährlich wachsenden Markt. Denn die Prozess-Finanzierer versprechen hohe Renditen.

Vor allem Deutschland hat, seit den 1950ern, diese intransparente Streitschlichtung kultiviert.

Vattenfall, der deutsche Atomausstieg und das internationale Investitionsrecht

Als am 12. März um 8.36 Uhr das Atomkraftwerk in Fukushima explodiert ist die Welt so nah an einem Atomunfall wie nie zuvor. Zehntausende Bürger gehen in Deutschland auf die Straße, um für den Ausstieg aus der Atomenergie zu demonstrieren. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel entscheidet tatsächlich: Aus für die Atomkraft in Deutschland. Der Energiekonzern Vattenfall klagt vor einem internationalen Schiedsgericht: 4,7 Milliarden Euro will er vom deutschen Staat als Entschädigung für entgangene Gewinne. „Die muss der deutsche Steuerzahler tragen. Die Bürger müssen für die Entscheidung, die ihre Regierung getroffen hat, und die die Meinung aller widerspiegelt, zahlen.“ Verfassungsrechtler Markus Krajewski sieht darin eine Bedrohung für die Demokratie.

Der New Yorker Anwalt Selvyn Seidel sieht das anders. Er ist einer der Pioniere auf dem Gebiet der Finanzierung von Schiedsgerichtsprozessen: „Es gibt viele Investoren, die von Staaten um ihre Gewinne gebracht werden. Die Investoren können vor einem Schiedsgericht klagen. Aber diese Rechtsstreitigkeiten kosten Geld. Und nicht immer weiß man, wie die Sache ausgeht. Wir können Investoren helfen: Wir suchen jemand, der diese Klagen finanziert. Wenn wir Erfolg haben, teilen wir uns den Gewinn. Es ist ein Riesengeschäft für alle Seiten.“

Seit Anfang der 90er Jahre ist die Anzahl der Klagen von Konzernen gegen Staaten von null auf über 600 Fälle rasant gestiegen. Anwälte, die für diese Klagen angeheuert werden, verdienen bis zu tausend Dollar pro Stunde, ihre Kanzleien manchmal bis zu dreißig Millionen Dollar pro Klage. Auch deutsche Kanzleien mischen mit im großen Geschäft. 2011 haben 15 Schiedsrichter 55 Prozent aller Klagen entschieden. Oft wechseln sie die Rollen: Mal fällen sie den Schiedsspruch. Ein anderes Mal vertreten sie die Investoren.

Auf dem Feld der Internationalen Schiedsverfahren herrscht deshalb Casinostimmung. Banken, Hedgefonds und Versicherer investieren in diesen jährlich wachsenden Markt. Denn die Prozess-Finanzierer versprechen hohe Renditen. Und als Makler verdienen sie auch kräftig mit: Burford, der größte amerikanische Prozess-Finanzierer, konnte seinen Gewinn 2011 verneunfachen. Juridica, sein britischer Konkurrent, verzeichnete einen Gewinnanstieg von 578 Prozent.

„Das ist ein Milliarden-Geschäft. Für alle Beteiligten. Es geht um riesige Summen.“ Der kanadische Wirtschaftsprofessor Gus van Harten hat die Branche genau untersucht. Denn gegen kaum ein anderes Land haben derzeit so viele Konzerne geklagt wie gegen Kanada. Erst jüngst gewann ein US-Konzern den Prozess vor einem privaten Schiedsgericht: Weil Kanada die Errichtung eines riesigen Steinbruchs aus Umweltschutzgründen nicht erlaubte, muss der Staat dem Konzern nun 300 Millionen Dollar zahlen. Schadensersatz. Obwohl der Konzern noch keinen Cent in die Umsetzung des Projektes investiert hatte.

Weil die spanische Regierung unter dem Druck der Sparvorgaben der EU die Subventionen für Solarkraftwerke kürzte, klagen derzeit allein 20 Konzerne gegen das ohnehin krisengeschüttelte Land. Auch deutsche Firmen sind dabei. Und auch solche, die noch investierten, als die Subventionen bereits schrittweise gekürzt waren.
Für José Maria Beneyto, Rechtsprofessor und Abgeordneter der Regierungspartei Partido Popular, ist der Fall klar: „Es gibt Firmen, die nur deshalb in Spanien investiert haben, um jetzt gegen uns zu klagen. Das ganze System ist pervertiert.“

Der New Yorker Anwalt Selvyn Seidel sieht auch das wieder anders. Er hat nämlich einen Plan: „Wir denken über kreative Finanzprodukte nach. Es wäre theoretisch möglich, verschiedene Klagen zu bündeln und als Paket an die Börse zu bringen. Dadurch minimiert sich das Risiko für alle Parteien.“ Für ihn wäre dann die Klage des Vattenfall-Konzerns gegen die Bundesrepublik Deutschland eine lukrative Geldanlage.

Im Sommer dieses Jahres hat sich das EU-Parlament in einer Abstimmung über TTIP gegen
Im Namen des Volkes urteilen sie nicht. Im Gegenteil: Die Schiedsgerichte tagen hinter verschlossenen Türen. Konzerne verklagen mit ihrer Hilfe Regierungen, wenn sie ihr Geschäft bedroht sehen – und zahlen müssen am Ende die Bürger.

Schiedsgerichtsverfahren ausgesprochen. Kein Grund zur Entwarnung: Im Abkommen mit Kanada sind sie noch enthalten. CETA soll nach dem Willen der EU-Kommission nicht mehr geändert werden. Doch 80% der US-Konzerne haben Niederlassungen in Kanada. Bleibt CETA wie geplant, könnten die US-Konzerne über ihre Niederlassung gegen EU-Staaten klagen. Auch gegen Deutschland.

Film von Michael Wech und sollte sich jeder anschauen.



Freihandelsabkommen EU-Singapur! EU stimmt Schiedsgerichten wie bei TTIP zu

Bereits am 23. Oktober 2014 berichteten wir Netzfrauen , dass die Europäische Union (EU) und Singapur die Verhandlungen im Bereich Investitionen für das Freihandelsabkommen EUSFTA (EU-Singapore Free Trade Agreement) abgeschlossen haben. Das stellt den Abschluss der gesamten EUSFTA-Verhandlungen dar, nachdem die anderen Teile der Vereinbarung bereits im September 2013 abgeschlossen wurden. „Der Abschluss in diesem Bereich ist ein äußerst wichtiger Schritt in unserer Partnerschaft mit Singapur, der die Investitionsbeziehungen stärkt“, sagt EU Handelskommissar Karel De Gucht. „Jetzt verfügen wir über ein umfassendes Abkommen, das uns die Tür in diese wichtige Region in Asien öffnet. Es wird für mehr Wirtschaftswachstum, Investitionen und Arbeitsplätze in Europa sorgen und ermöglicht Europa einen besseren Zugang zum ASEAN Markt mit seinen 600 Millionen Konsumenten.“

Das Freihandelsabkommen EU-Singapur ist fertig. Die EU-Kommission stimmt Schiedsgerichten, wie bei TTIP zu, dies unbemerkt von der Öffentlichkeit! Lesen Sie dazu: Why So Secret? Freihandelsabkommen EU-Singapur! EU stimmt Schiedsgerichten wie bei TTIP zu

Während der fortgesetzten Verhandlungen hat WikiLeaks einzelne Kapitel des TPP – ein globales Abkommen zwischen den USA und 11 anderen Ländern – veröffentlicht. Das TPP würde 40% der Weltwirtschaft abdecken aber Einzelheiten wurden der Öffentlichkeit vorenthalten. Ein vor kurzem bekannt gewordenes Kapitel „Anlagen“ streicht die Absicht der von den USA angeführten Verhandlern hervor, ein Schiedsgericht zu schaffen, das Regierungen strafen kann, wenn deren nationale Gesetze verhindern, dass Konzerne ihre angenommenen Umsätze/Profite nicht erreichen können. Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks, warnt davor, dass diese Pläne sowohl Gesundheits-, als auch Umweltschutz negativ beeinflussen könnten.

Julian Assange erklärte es so:

Schauen wir uns ein Beispiel an: Was, wenn eine Regierung oder die Regierung eines Staates ein neues Krankenhaus bauen möchte und gleich daneben gibt es ein Privatspital? Nun, TPP gibt dem Errichter des Privatspitals das Recht, die Regierung auf Schadenersatz zu klagen für zukünftige Ertragsverluste. Es geht also nicht um tatsächlich erlittene Verluste, sondern geschätzte zukünftige Verluste. Man weiß bereits, dass ähnliche Instrumente, mit Hilfe derer Regierungen geklagt werden können, einen Dämpfer für die betroffenen Sparten bedeuten, insbesondere beim Umweltschutz und im Gesundheitswesen. Zum Beispiel Togo, Australien, Uruguay wurden alle vom führenden Tabakkonzern, Philip Morris, geklagt, damit verhindert würde, Gesundheitswarnungen auf die Zigarettenpackungen zu drucken. Lesen Sie den Beitrag hier: Julian Assange zum Trans-Pazifischen Abkommen- Secretive Deal Isn’t About Trade, But Corporate Control

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