VW-Untersuchungsausschuss

  20 Januar 2017    Gelesen: 370
VW-Untersuchungsausschuss
Bestürzt und erschüttert gibt sich Martin Winterkorn vor dem VW-Untersuchungsausschuss. Details zur Abgasaffäre bleibt der ehemalige Konzernchef schuldig - wird es kritisch, schweigt er sich aus.
Die Hauptperson nimmt den Nebeneingang. Es ist der erste öffentliche Auftritt seit seinem Abgang als Volkswagen-Chef. Doch Martin Winterkorn meidet den breiten Flur auf seinem Weg zum Bundestagsuntersuchungsausschuss. In einer Ecke, gleich neben dem Raum, entsteigt der 69-Jährige einem Lift, strebt flankiert von zwei Anwälten eilig an seinen Platz.

Ebenso zügig hakt der ehemalige Top-Manager an diesem Donnerstagmorgen die unbequemen Fragen der Politiker ab. Die Manipulation an Autos - sie habe sich an ihm vorbei abgespielt, das will Winterkorn klarstellen. Seine Sicht: Er, der Konzernchef, war nicht informiert, nicht involviert, eine Randfigur geradezu.

Enttäuscht lässt der einstige Konzernlenker den Untersuchungsausschuss des Bundestags in Berlin zurück, der die VW-Dieselaffäre beleuchten will - und die Verstrickungen von Bundesregierung und Behörden.

Die bohrenden Fragen helfen nichts. Winterkorn schweigt, wenn es gefährlich wird. Hat er mit dem Vorstand über die Stickoxidwerte in den USA gesprochen? "Ich kann mich an dieses Thema nicht erinnern", antwortet er. Sind die Manipulationen aus seiner Sicht auch in Deutschland illegal? "Das ist eine juristische Frage." Hat er Informationen enger Vertrauter über das Problem zuvor erhalten? Welche Signale hat er übersehen? Dazu könne er sich nicht äußern, sagt Winterkorn, mit Blick auf Ermittlungen in Braunschweig. Dort geht die Staatsanwaltschaft dem Verdacht der Marktmanipulationen gegen ihn nach. "Ich glaube nicht", fügt er hinzu, "dass es zwei oder drei Leute waren. Es waren schon mehr. Wie viele, weiß ich nicht."

Winterkorn windet sich, blockt ab, antwortet knapp.

Blick ins Leere

Einmal nur wird es knifflig. Hätte ihm, dem ehemaligen Volkswagen-Chef, dem langjährigen Ingenieur, nicht etwas auffallen müssen?, fragt Oliver Klare von der SPD. Schließlich seien die Behälter mit Harnstofflösung zur Abgasreinigung der VW-Dieselautos klein, die Wartungsintervalle im Vergleich sehr lang gewesen. Technikern fiel ins Auge: Da kann etwas nicht stimmen. Bei der Motorleistung und den Grenzwerten für Stickoxid hätten die Dieselmodelle weit mehr Harnstoff benötigt als sie es offenbar taten. Martin Winterkorn verschränkt die Arme vor der Brust. Er schaut ins Leere. "Bei mir war keiner, der mir gesagt hat, er bringt die Menge nicht unter."

VW-Ingenieure manipulierten die Dieselmodelle, um das Problem zu lösen. Sie frickelten so lange an einer Software herum, bis die Wagen auf dem Prüfstand den Stickoxidausstoß auf das erlaubte Maß drosselten - in der Realität aber stießen sie weit mehr des giftigen Gases aus. Elf Millionen Autos weltweit wurden so manipuliert. Erst Tests in den USA brachten VW in Verdacht - und machten die Dieseltricks zum größten Skandal der Automobilgeschichte. (Die Chronik zur VW-Affäre zum Nachlesen.)

Der Geschockte

Winterkorn, einst gefeiert für seine Erfolge beim Aufstieg des Autokonzerns, kann nicht mehr wie in früheren Zeiten seine Stärke demonstrieren. Er zeigt sich zerknirscht. "Das Undenkbare ist geschehen", sagt er zum Abgasskandal. "Lassen Sie mich als langjährigen Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen meine Bestürzung zum Ausdruck bringen." Er habe mit seinem Rücktritt die Verantwortung übernommen. "Dieser Schritt war der schwerste meines Lebens."

Nun stellt sich Winterkorn auf die Seite der Geschädigten: Lückenlose Aufklärung sei jetzt nötig. "Was passiert ist, macht die Menschen wütend - mich auch." Die Empörung und Verärgerung verstehe er gut. "Mein Team und ich haben Umsatz und Gewinn vervielfacht, viele neue Jobs geschaffen - nicht durch Betrug, sondern durch harte und ehrliche Arbeit."

Den Politikern im Untersuchungsausschuss reicht der Kotau des Managers nicht. "Eine grundlegend neue Erkenntnis haben wir nicht gewinnen können", sagte der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens (Linke) nach der Vernehmung. "Ich glaube, in weiten Teilen ist er hinter dem zurückgeblieben, was er wirklich weiß." Er halte Winterkorns Glaubwürdigkeit für erschüttert, sagte Behrens.

Wer wusste wann etwas bei VW, diese Frage habe Winterkorn nicht beantwortet, zürnte der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange. Der Manager betonte erneut, er habe erst im September 2015 von den Manipulationen erfahren - die danach bekannt gemacht worden waren. Ermittler gehen in Europa und den USA teils gestützt auf Aussagen von Beteiligten bei VW als Kronzeugen dem Verdacht auf den Grund, dass die Konzernspitze bereits früher von den Tricks gewusst und deren Vertuschung angeordnet hat.

Winterkorn weist das von sich. Schuld daran, dass er vom Betrug nichts mitbekommen haben will, seien seine Mitarbeiter. Er sei "ein Mensch, der ein offenes Wort schätzt", sagte Winterkorn, und er habe in 35 Jahren bei VW fast täglich mit Mitarbeitern gesprochen. "Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt worden bin." Der Ex-Konzernchef bleibt bei seiner Darstellung, nicht früher über die Dieselmanipulationen Bescheid gewusst zu haben als bisher eingeräumt. Einige Berichte legten dies nahe, sagte Winterkorn. Doch "das ist nicht der Fall. (...) Ich habe dazu auch keine Akteneinsicht erhalten."

Er war ja nur der Chef.

Quelle : spiegel.de

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