"Geigen wachsen nicht auf Bäumen!"

  26 Mai 2018    Gelesen: 1023
"Geigen wachsen nicht auf Bäumen!"

David Bowie und Brian Eno waren Fans, in Deutschland lief er immer unter dem Radar: Elektronik-Pionier Klaus Schulze veröffentlicht mit 70 Jahren Gesundheit überraschend ein neues Album.

In "The Bling Ring", dem Film über eine Teenagergang, die Villen Prominenter in Beverly Hills leerräumt, hatte die Regisseurin Sofia Coppola viel Wert auf den Soundtrack gelegt: Hochaktuelle Acts wie Kanye West, Frank Ocean, 2Chainz oder Azealia Banks wummerten da 2013 durch die Hipster-Szenerie - und dieses eine, auffällig wundersame Stück elektronischer Musik. Zu nächtlichen Bildern von Los Angeles surrte eine geheimnisvoll zirpende Melodie, die ebenfalls sehr modern klang. Tatsächlich aber war es ein fast 40 Jahre altes Stück namens "Freeze" von Klaus Schulze.

Als der Berliner im vergangenen Jahr 70 wurde wäre das hierzulande eine gute Gelegenheit gewesen die Karriere dieses einflussreichen Musikers auszuleuchten. Andererseits passt es gut ins Bild, dass so gut wie gar nichts passierte, denn Klaus Schulze wurde international immer mit sehr viel mehr Aufmerksamkeit bedacht, als hierzulande. Dabei haben nur wenige deutsche Musiker so viel Einfluss auf die Popkultur genommen wie der Mann mit dem unglamourösen Namen.

Bei allem Respekt für die Düsseldorfer Elektroniker von Kraftwerk, waren auch die Berliner Edgar Froese von Tangerine Dream und Klaus Schulze ähnlich wichtig für die Entwicklung der Elektronischen Musik. David Bowie und Brian Eno sangen Loblieder auf Schulze. Hollywood-Regisseure wie Michael Mann und eben Sofia Coppola nutzen seine Musik für ihre Filme, Hip-Hop Größen wie J Dilla sampleten ihn. Und nicht zuletzt der hochgelobte Soundtrack der aktuell populären Science-Fiction-Serie "Stranger Things" klingt letztlich wie eine Kopie der Musik, die Schulze vor einem halben Jahrhundert programmiert hat.

Der 1947 geborene Schulze studierte eine Weile Germanistik und legte dann mit allerlei Bands los. Er war Schlagzeuger bei Tangerine Dream, auf deren Debüt "Electronic Meditation" er noch dabei ist, entdeckte dann die Elektronik für sich und war eine Weile Mitglied bei Ash Ra Tempel. Ab 1972 konzentrierte er sich auf seine Solokarriere.

"Berliner Schule" nennen Spezialisten die ausschweifenden instrumentalen Synthesizer-Tracks, die Schulze und Tangerine Dream weltberühmt machten und letztlich die Blaupause für den Sound lieferten, den Brian Eno später als Ambient Music etablierte. Klaus Schulze war in seiner jahrzehntelangen Karriere enorm produktiv. Er spielte auf mehr als 500 Produktionen; über 60 Solo-Alben tragen seinen Namen. Als Klassiker der Elektronischen Musik gelten seine Platten "Timewind" (1975), "Moondawn" (1976) und "Dune" (1979).

Von den Konzertbühnen verabschiedete sich Schulze vor fünf Jahren und zog sich ins Privatleben zurück. Das er weiter an Musik arbeitete, belegt jetzt sein neues Album "Silhouettes" mit vier überlangen, sehr introvertiert wirkenden Tracks, die an Schulzes Arbeiten aus den Siebzigern erinnern und im Herbst vergangenen Jahres entstanden sind. "Der lange Blick zurück" heißt ein 22 Minuten langes Stück, das Bilanz zu ziehen scheint. Zuletzt ging es Klaus Schulze gesundheitlich nicht besonders gut. Die Fragen zu seiner Karriere, die wir ihm stellen wollten, mochte er daher nur schriftlich beantworten.

spiegel


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