Die Kinder des Kalifats: Das schreckliche Erbe der IS-Terroristen

  13 Februar 2019    Gelesen: 801
Die Kinder des Kalifats: Das schreckliche Erbe der IS-Terroristen

Die Terroristen kapitulieren gegenüber den Behörden in Syrien, wo die Offensive auf die letzten Stützpunkte des Islamischen Staates* andauert. Darunter auch angeworbene Ausländer, die zusammen mit ihren Familien in die IS-Lager* kamen.

Vor kurzem kamen zwei kanadische Staatsbürgerinnen mit ihren Kindern zum Stützpunkt der Koalitionstruppen. In Syrien droht ihnen der Tod, in der Heimat Gefängnis.

Terroristenlager für Kinder

„Den Kindern gefällt es, wenn Erwachsene sie die Kalifat-Löwchen nennen. Sie sind stolz darauf, dass sie seit ihrer Kindheit Soldaten des Islamischen Staates* werden. Viele sind nur darüber besorgt, dass sie nicht gleich in den Krieg ziehen dürfen. Um sich zu positionieren, wählen einige den Weg der Schachide. Die anderen werden den Kampf gegen den Westen fortsetzen, wenn sich das Feuer der Krieges aus Syrien auf den Irak und auf Europa ausdehnt“, erzählt der ehemalige IS-Feldkommandeur* Abu Abbud al-Rakkawi.

Die Kinderlager wurden von Terroristen im Zuge der Eroberung der neuen Gebiete in Syrien und im Irak geschaffen. Dorthin gelangten vor allem Waisen, einige wurden von ihren Eltern gebracht, auch aus den westlichen Ländern und postsowjetischen Staaten.

Nach der Auswertung von Videos und Fotos im Netz kamen Menschenrechtsorganisationen zum Schluss, dass sich in den IS-Erziehungslagern* 5000 bis 8000 Kinder befanden. Einige waren jünger als acht Jahre. Etwa ein Drittel davon sind Jugendliche bis 14 Jahren. Am wenigsten gab es Jugendliche knapp vor der Volljährigkeit, die an die Front geschickt wurden, die restlichen wurden vor allem für Terroranschläge vorbereitet.

Die meisten Kinder wissen nur, wie man ein Gewehr lädt und Sprengstoff aus vorhandenen Mitteln herstellt. Die Erwachsenen manipulieren sie und kümmern sich vor allem um die Jungs. Mädchen gibt es auch im Lager, doch sie werden vor allem als potentielle Selbstmordattentäterinnen betrachtet.

„In den Erziehungslagern lebten die Kinder völlig isoliert von der Außenwelt und den Eltern. Ihre Lehrer waren Feldkommandeure, die ihnen beibrachten, dass Ungläubige getötet, vergewaltigt und in die Luft gesprengt werden sollen. Vielen wurden die Fertigkeiten der Selbstmord-Terroristen beigebracht. Allen wurde erklärt, dass man das eigene Leben dem Kampf gegen die westliche Welt widmen muss“, erzählt al-Rakkawi.

Nach der Zerschlagung des IS* sollen diese Kinder zum friedlichen Leben zurückgebracht werden. Doch niemand weiß, wie das geschafft werden kann.

Frauen wie unter Hypnose

Die von IS-Ideen* besessenen Frauen gaben nicht nur ihre Kinder freiwillig in die Lager „Kalifat-Löwchen“, sondern zeigten selbst die Bereitschaft, Selbstmordattentäterinnen zu werden.

„Die aus Syrien und dem Irak zurückkehrenden Frauen werden häufig als Opfer wahrgenommen, die ihren Männern blind folgten. Das ist nicht immer so. Manchmal schlossen sie sich absolut bewusst dem IS* an und erklärten den Terroristen ihre Treue. Das betrifft nicht nur arabische Frauen, sondern auch jene, die aus Europa, den USA bzw. GUS-Staaten kamen“, sagte der Experte des Zentrums für Analyse des modernen Afghanistans, Andrej Sorenko. Ihm zufolge nahmen Terroristen den Frauen alle Kinder älter als sieben Jahre weg. „Es ist einfach, siebenjährige Kinder zu manipulieren, sie sind einfach zu beeinflussen. Eine Gruppe wird zu Selbstmordattentätern, andere zu Dschihad-Soldaten ausgebildet. Es gibt spezielle Lehrbücher“, so der Experte.

„Kinder stellen fast keine Fragen. Morde und Explosionen werden von ihnen als Fortsetzung des Computerspiels wahrgenommen. Sie haben kein schlechtes Gewissen, das für Erwachsene typisch ist. Wenn ein Kind seine Eltern vermisste, wurde ihm erklärt, dass es sie bald im Paradies treffen wird, doch zuerst muss man möglichst viele Ungläubige töten“, erzählt der stellvertretende Direktor des Zentrums für Islam-Forschung beim Präsidenten der Republik Tadschikistan, Rustam Asisi.

Nach der Zerschlagung des IS* war es für die Behörden einfacher, Frauen und Mädchen, als Männer und Jungs in die Heimat zurückzubringen. „Jene, die in den IS-Lagern* waren, treten ungerne in Kontakt. Vielen wird erst jetzt der ganze Schrecken bewusst. Sie geben zu, dass sie wie unter Hypnose bzw. psychotropen Substanzen standen, als sie ihre Kinder den Terroristen übergaben“, sagte Asisi.

In Tadschikistan haben die Rechtsschutzorgane es geschafft, ein kleines Mädchen namens Marjam aus Syrien zurückzuholen. „Ihr Vater, der seine Familie mitnahm, wurde getötet. Die Mutter sitzt im irakischen Gefängnis. Das Kind lebt bislang mit dem Großvater. Doch selbst so einem kleinem Kind fällt es schwer, zu einem normalen Leben nach den ganzen Grausamkeiten zurückzukehren“, so der Experte.

Teufelskreis

Eine andere Seite des Problems — Misstrauen in der Gesellschaft. Menschen werden in jenen, die in IS-Lagern* waren, potentielle Verbrecher sehen, was eine neue Aggressionswelle auslösen kann. Wie in der Geschichte des syrischen Jugendlichen Usanda Baro. Vor dem Krieg gegen den Islamischen Staat* lebte er zusammen mit seiner Familie in Aleppo. Ihm wurde in einer Moschee vorgeschlagen, zum Wohle Allahs nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zu dienen. Er willigte ein, er wurde ins Lager „Kalifat-Löwchen“ im Irak geschickt.

„Uns wurde Tag und Nacht eingeflößt, dass Schiiten, Christen und Juden Ungläubige sind. Wir wurden dazu aufgerufen, sie zu töten. Damit wir keine Zweifel haben, wurde uns gesagt, dass die Ungläubigen sonst unsere Verwandten töten werden. Es gab da sehr viele kleine Kinder, die jedes Wort glaubten“, erinnert sich der Jugendliche.

Usanda Baro war ziemlich groß und verstand bald, dass das Ziel der Terroristen nicht die Schaffung eines gerechten islamischen Kalifats, sondern das Morden war. Um das Kinderlager zu verlassen, erklärte er sich bereit, Schachid zu sein. Ihm wurde ein Gürtel mit Sprengstoff umgeschnallt, dann wurde er in ein schiitisches Gotteshaus geschickt. Er kam auf die Wächter zu und zeigte den Gürtel. Es kam nicht zum Terroranschlag, doch der Jugendliche wurde trotzdem ins Gefängnis geschickt. Niemand wollte die Umstände klären, für die Gesellschaft war er ein minderjähriger Verbrecher.

„Der Islam verurteilt Terrorismus in jeder Form, unabhängig davon, wer Terroranschläge verübt – Kinder oder Erwachsene. Muslimische Pädagogik schließt die Erziehung der Kinder im Geiste der Gewalt bzw. seiner Rechtfertigung aus. Doch die ganze Ideologie des Terrorismus stützt sich auf die falsche Interpretation des Islam“, sagt Rais Sulejmanow vom Institut für nationale Strategie.

Eine weitere Folge der Gefahr des „Terrorismus durch Kinder“ könnte die Verschärfung der Kontrolle aller Kinder sein. Das würde nur die Intoleranz in der Gesellschaft fördern. Das Problem ist auf allen Seiten schwierig, eine Lösung müsse erst ausgearbeitet werden, so der Experte.

sputniknews


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