Das umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 gerät auf den letzten Kilometern noch mal in Schwierigkeiten. Denn die von den USA nun verhängten Sanktionen drohen, die an der Gasleitung durch die Ostsee beteiligten Firmen zu treffen.
Das schweizerisch-niederländische Unternehmen Allseas kündigte am frühen Samstagmorgen an, den Bau der Pipeline bis auf Weiteres einzustellen. Die Firma ist Betreiberin der Spezialschiffe, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden.
"In Erwartung der Verfügung" werde der Weiterbau zunächst ausgesetzt, heißt es in einem kurzen Statement auf der Homepage. Sollte Allseas sich nicht an die neuen US-Regeln halten, drohen den Verantwortlichen des Unternehmens Einreiseverbote in die USA. Etwaiger Besitz von Allseas in den Vereinigten Staaten würde eingefroren. Das würde auch das Vermögen von Allseas in Houston (Texas) sowie Schiffe des Unternehmens betreffen, die US-Hoheitsgewässer befahren sollten.
Hinzu kommt: Bei Nord Stream 2 sind nur noch rund 300 Kilometer zu verlegen. Die Firma dürfte sich gut überlegen, ob sie die Lücke noch schließt, falls sie dadurch droht, gegen Sanktionen des "Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zu verstoßen - und sich dadurch potenziell lukrative Aufträge in den USA verbaut.
Bundesregierung äußert Bedauern
US-Präsident Donald Trump hatte das Sanktionsgesetz am Freitagabend auf einer Luftwaffenbasis als Teil eines Gesetzespakets zum Verteidigungshaushalt unterschrieben und in Kraft gesetzt. Die US-Regierung hat nun 60 Tage Zeit, um eine Liste mit den Namen der betroffenen Firmen und Individuen zu erstellen.
Deutschland hat die US-Sanktionen "mit Bedauern zur Kenntnis genommen". "Die Bundesregierung lehnt derartige extraterritoriale Sanktionen ab", teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer mit. "Sie treffen deutsche und europäische Unternehmen und stellen eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten dar."
Mit Blick auf die laufenden russisch-ukrainischen Gespräche zum Transit russischen Gases durch die Ukraine seien "derartige US-Maßnahmen, die insbesondere mit dem Schutz der Ukraine begründet werden, besonders unverständlich".
Zwischen der Ukraine und Russland sei mit Unterstützung der Europäischen Kommission sowie der Bundesregierung eine Grundsatzvereinbarung über einen neuen Gastransitvertrag über die Ukraine ab 2020 erzielt worden. "Wir begrüßen, dass am Freitag nun eine konkrete Vereinbarung unterzeichnet werden konnte."
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, sprach von einem "unilateralen Schritt", der das Verhältnis zu den USA belaste. Die Sanktionen würden "die Fertigstellung von Nord Stream 2 jedoch nicht verhindern, sondern lediglich verzögern".
Unterdessen wandten sich die zwei republikanischen Senatoren Ted Cruz - der das Sanktionsgesetz eingebracht hat - und Ron Johnson an Allseas-Chef Edward Heerema. "Wir verstehen, dass die russische Regierung Allseas eine sehr bedeutende Geldmenge dafür bezahlt, die Nord-Stream-2-Pipeline fertigzustellen", hieß es in einem Brief der US-Politiker. Sollte die Firma die Arbeiten "auch nur für einen einzigen Tag" nach Unterzeichnung des US-Sanktionsgesetzes fortführen, drohten ihr "potenziell vernichtende rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen".
Man erwarte Orientierungshilfe der zuständigen US-Behörde, teilte Allseas in Erwartung des Sanktionsgesetzes mit. Es gehe um nötige regulatorische, technische und ökologische Klarstellungen, hieß es in der kurz vor der Unterzeichnung des Gesetzes veröffentlichten Stellungnahme. Man wolle Arbeiten im Einklang mit der Gesetzgebung fortführen. Russland hatte den USA vor Ausfertigung des Gesetzes den Bruch internationalen Rechts vorgeworfen und zeigt sich optimistisch, die rund zehn Milliarden Euro teure Pipeline trotz der US-Strafmaßnahmen fertigzustellen.
Bei der mehr als 2100 Kilometer langen Pipeline fehlt nur noch ein kurzes Stück unweit der dänischen Insel Bornholm. In Dänemark war die Kritik an dem Projekt bis zuletzt groß: Es gab mehrere Versuche, die Bestrebungen noch durch ein Gesetz zu verhindern. Es wurde mit übergeordneten nationalen Interessen argumentiert - und erst Ende Oktober eine Genehmigung erteilt.
Die USA, aber auch einige osteuropäische und baltische Staaten, befürchten, dass die Abhängigkeit Mitteleuropas von russischer Energie durch Nord Stream 2 steigt. Die Bundesregierung steht dennoch hinter dem Projekt und hofft auf Versorgung mit preiswertem Gas - jährlich sollen so 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Deutschland fließen.
Nord Stream 2 ist die zweite Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland. Dahinter steht der russische Staatskonzern Gazprom, der die Hälfte der geplanten Gesamtkosten von 9,5 Milliarden Euro stemmen soll. Die andere Hälfte finanzieren fünf europäische Energieunternehmen, darunter Wintershall-Dea, OMV sowie Royal Dutch Shell und die französische Engie.
spiegel
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