EU weist türkische Geldforderungen zurück

  24 Januar 2020    Gelesen: 669
EU weist türkische Geldforderungen zurück

Immer wieder droht der türkische Präsident Erdogan damit, den Flüchtlingsdeal von 2016 zu kündigen. Schließlich zahle die EU das versprochene Geld nicht. Doch Brüssel weist das zurück. Projekte würden regelmäßig und langfristig unterstützt. Deshalb sei noch nicht alles ausgezahlt worden, heißt es.

Die EU hat Vorwürfe der Türkei zurückgewiesen, versprochene Gelder aus dem Flüchtlingspakt nicht auszahlen. "Wir zahlen jeden Monat", sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Zagreb. Die Gelder würden aber überwiesen, um konkrete Projekte zu finanzieren, teils auch über einen längeren Zeitraum. Ein großer Teil fließe etwa, um den regelmäßigen Kauf von Lebensmitteln für 1,7 Millionen Flüchtlinge zu ermöglichen.

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Die EU hatte Ankara 2016 sechs Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei zugesagt. Dies war Teil eines Flüchtlingspaktes, der die türkische Seite verpflichtete, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Migranten zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen.

Die Türkei kritisiert die Auszahlung der Gelder regelmäßig als zu langsam, Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat auch bereits mehrfach mit der Aufkündigung des Flüchtlingspaktes gedroht. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierte nun vor dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der "Bild"-Zeitung, dass sein Land bisher noch nicht einmal drei Milliarden Euro von der EU erhalten habe.

EU-Beitrittsgespräche liegen auf Eis

Von den sechs Milliarden Euro sei inzwischen alles konkreten Projekten zugewiesen, konterte EU-Kommissarin Johansson. Dazu gehöre etwa der Bau von Schulen oder von Gesundheitszentren für die Flüchtlinge. Geld der EU fließe auch für Lehrer, die Hunderttausende Flüchtlingskinder unterrichteten. "Sie bekommen monatlich ihr Gehalt", sagte Johansson. Deshalb sei es klar, "dass noch nicht alles ausgezahlt wurde". Die türkische Kritik sei deshalb unberechtigt, sagte die Kommissarin. Nach Angaben vom Dezember erwartet die EU-Kommission, dass aus dem Flüchtlingspakt in diesem Jahr nochmals rund eine Milliarde Euro fließt. Damit wären Ende 2020 rund vier Milliarden ausbezahlt. Der Rest soll bis 2025 folgen.

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Die EU stehe zu der Flüchtlingsvereinbarung auch in anderen Bereichen, die von Ankara als unerfüllt kritisiert werden, betonte die Kommissarin. Bei den Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für türkische Bürger gebe es zwar "viele Fortschritte". Die Türkei habe aber bisher sechs Kriterien nicht erfüllt, insbesondere bei der Anti-Terror-Gesetzgebung. Bei den Gesprächen über einen EU-Beitritt der Türkei gebe es dagegen "keine Fortschritte", stellte die Kommissarin aus Schweden fest. Die EU hatte Ankara im Zuge des Flüchtlingspaktes zugesagt, beschleunigt weitere Verhandlungskapitel abzuschließen. Wegen des harten Vorgehens gegen innenpolitische Gegner Erdogans liegen die Gespräche aber auf Eis.

Scharfe Kritik an Flüchtlingspakt

Merkel reist am Freitag zu einem Treffen mit Erdogan nach Istanbul. Hauptthemen der Gespräche dürften die Flüchtlingspolitik sowie die Konflikte in Syrien und Libyen sein. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln und vielfacher Drohungen Erdogans besteht die Sorge, dass der zwischen der EU und der Türkei bestehende Flüchtlingspakt gefährdet ist. Seit dem im März 2016 geschlossenen Abkommen ist die Zahl der über die Türkei in die EU gelangenden Syrer deutlich gesunken. Zuletzt nahm deren Zahl aber wieder zu.

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Allerdings ist das der Vertrag ohnehin nicht unumstritten. Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International übte scharfe Kritik an dem Abkommen. Dieses sei ein "menschen- und asylrechtliches Desaster", erklärte die Referentin für Flucht und Migration bei Medico International, Ramona Lenz. Sie prangerte Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen Flüchtlinge sowohl in der Türkei als auch in Griechenland an und forderte eine "neue politische Grundlage für die Neuaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen und Migranten in Europa".

Aus der Linkspartei kamen Rufe nach einem grundlegenden Kurswechsel in der deutschen Türkeipolitik. Linken-Außenexpertin Sevim Dagdelen forderte eine "Verurteilung der türkischen Außenpolitik" durch Merkel. Statt den Flüchtlingspakt mit Erdogan zu erneuern, müsse die Bundesregierung endlich die Fluchtursachen in der Region angehen und dafür die deutschen Waffenexporte in die Türkei stoppen.

ntv


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