Duma-Initiative gegen Gleichsetzung von Wehrmacht und Roter Armee - Nach „Stimmungsmache Polens“

  25 Januar 2020    Gelesen: 847
Duma-Initiative gegen Gleichsetzung von Wehrmacht und Roter Armee - Nach   „Stimmungsmache Polens“

Der Duma liegt eine Gesetzinitiative für ein Verbot öffentlicher Vergleiche zwischen Roter Armee und Wehrmacht in Russland vor. Die Gleichsetzung des Vorgehens Nazideutschlands mit dem Sowjetischer Militärs soll dann illegal sein. Ein solches Verbot schade mehr, als es nutze, so Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau.

Die Leiterin des Kulturausschusses der Staatsduma, des Parlamentes Russlands, hat eine Gesetzinitiative auf den Weg gebracht, wie die russische Presse berichtet. Demnach sollen in Russland künftig Äußerungen zur Ähnlichkeit des Vorgehens der sowjetischen Führung und der Soldaten während des Zweiten Weltkriegs mit denen von Führung und Militärpersonal Nazideutschlands verboten sein. Danach dürfte das Stalinistische Regime der Sowjetunion mit dem Hitlerdeutschlands künftig in Russland nicht mehr verglichen werden. Das Gesetz „Über die Würdigung des Vermächtnisses des Sieges des Sowjetvolkes im Großen Vaterländischen Krieg von 1941-1945“ aus dem Jahr 1995 würde um einen neuen Passus ergänzt.

„Stimmungsmache von Polen“
Laut Jelena Jampolskaja müsse aufgrund der „Stimmungsmache in Europa, die gerade jetzt von Polen kommt“, etwas geschehen. Etliche europäische Abgeordnete würden diese Stimmung befeuern, weil es ihnen zu pass käme, „unseren Sieg zu leugnen“, so die Ausschussvorsitzende. Die polnische Nationalversammlung Sejm, hatte jüngst eine Resolution verabschiedet, wonach die Verantwortung für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sowohl bei Hitlerdeutschland als auch bei der stalinistischen Sowjetunion liege.

Nazis und Rote Armee - Grenzen ziehen
Die Menschen sollten „Nazis und Rote Armee nicht gleichsetzen, diese Grenze nicht überschreiten“, so die Abgeordnete. Das Verbot würde sowohl öffentliche Verlautbarungen, wie Publikationen betreffen. Allerdings soll es ausdrücklich nicht Forschung, wissenschaftliche Diskussionen oder historischen Veröffentlichungen tangieren.

Doch genau das befürchtet Wissenschaftler Matthias Uhl. Er forscht am Deutschen Historischen Institut in Moskau und hatte in der Vergangenheit selbst schon wegen einiger Veröffentlichungen „Kontakt“ zur russischen Staatsanwaltschaft. Es betraf die Veröffentlichung von Archivmaterialien mit nationalsozialistischer Symbolik, die Verbrechen der deutschen Wehrmacht auf dem Gebiet der Sowjetunion zum Gegenstand hatten. Das Institut geriet aufgrund einer Sprachbarriere unter Verdacht und musste die Wissenschaftlichkeit der Publikation darlegen.

Auch bei dem neuen Vorstoß in der Duma fragt Historiker Uhl sich, wo man die Grenze ziehen wolle: „Wo fängt Forschung an, wo endet sie?“ Der Deutsche befürchtet, dass die vom russischen Kulturausschuss ausgehende Initiative samt Verbotsnorm mehr Schaden anrichten würde, als man eigentlich beheben wolle. Es könnte sich als „Eigentor“ entpuppen.

Aus „Aufrüstungsspirale“ ausbrechen
„Die Polen machen das und wir schießen jetzt zurück“, so wirke die aktuellen Diskussionen auf ihn, vor dem Hintergrund, dass das russisch-polnische Verhältnis belastet sei. Es sei eine Art „Aufrüstungsspirale“, aus der es gelte, auszubrechen, da sie „im Prinzip nichts bringt“. Er sieht zudem die Gefahr, dass so ein Verbot „Wasser auf die Mühlen der Polen“ wäre, da es so interpretiert werden könnte, als wenn es tatsächlich etwas zu verberge gäbe. „Wie wollen sie die Nivellierer entlarven, wenn sie nicht mit ihnen im öffentlichen Raum diskutieren?“, gibt Uhl zu bedenken. Man müsse im öffentlichen Raum diskutieren dürfen, denn „wenn man etwas verbietet, geht es ja nicht aus den Köpfen der Menschen weg“.

Vergleichen und Gleichsetzen ist nicht dasselbe
„Vergleiche werden überall in der Geschichte angewendet und vergleichen heißt meist nicht gleichsetzen“, so Uhl.  Er verweist auf die umfangreiche Totalitarismus-Forschung, wo diskutiert wird, inwieweit sich Diktaturen ähneln. Doch ein Vergleich im Sinne einer Gleichsetzung sei hier ohnehin ausgeschlossen, stellt der Historiker fest. Denn es gibt „erhebliche Unterschiede im Besatzungsverhalten der Wehrmacht und der Sowjetunion“.

Andere Absichten, anderes Vorgehen
„Während die Deutschen in Polen circa 4 bis 4,5 Millionen Menschen umgebracht haben, gehen die Forscher zur sowjetischen Besatzung Westpolens etwa davon aus, dass dort maximal 100.000 Menschen ums Leben kamen. Das zeigt deutlich, dass man da gar nichts gleichsetzen kann, auch weil die Intentionen und die Mechanismen ganz andere waren“, so Historiker Uhl.

Ja, auch von Angehörigen der Roten Armee seien Verbrechen verübt worden: Uhl spricht von „einzelnen Übergriffen“, was „verständlich“ sei: Es habe sich um eine „riesige Streitmacht“ gehandelt, bei der mitnichten alle „Lämmchen“ gewesen seien. Womöglich hätten zudem diejenigen, die grausame Erfahrungen an der Front gemacht hätten, „großen Bedarf verspürt, es den Deutschen heimzuzahlen“, nachdem sie zum Beispiel ein von den Deutschen niedergebranntes Dorf befreiten.

Die Deutschen hätten „im Prinzip jeden Tag in Weißrussland oder den besetzten Gebieten“ Dörfer umstellt, sie niedergebrannt, die Bewohner getötet. „Dass die Rote Armee etwa ein deutsches Dorf umstellt, es niederbrennt und die Bewohner niedermacht, findet man hingegen nicht“.

Mehr Sichtbarkeit im Westen  
Der Historiker macht allerdings eine „ganz große Lücke“ aus, in die jene „reinstoßen“ könnten, die versuchten, Ergebnisse oder bestimmte Geschehnisse gleichzusetzen:

Der Einfluss, den die sowjetische Historiographie auf die europäische Geschichtsschreibung, vor allem durch den sozialistischen Staatenverbund hatte, sei zwar seit 1990 vollkommen weggebrochen hätte aber auch „Fehlstellen“ hinterlassen. Die Masse der westlichen Historiker nähme zudem die russischen Forschungen gar nicht zur Kenntnis, da das Gros nur auf Russisch erscheine, so gut wie nichts ins Englische oder gar ins Deutsche übersetzt würde.

Vor dem Hintergrund sei es viel wichtiger, in Übersetzungen zu investieren, in die russische Forschung und deren Wahrnehmung im Ausland, als mit Verboten zu „hantieren“.

sputniknews


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