Lkw-Attentat: Eltern von Opfer erheben schwere Vorwürfe gegen Bundesregierung

  02 März 2017    Gelesen: 449
Lkw-Attentat: Eltern von Opfer erheben schwere Vorwürfe gegen Bundesregierung
Sie haben ihre Tochter Fabrizia bei dem Terrorattentat auf einen Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember verloren. Nun brechen die Eltern ihr Schweigen: Gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Serra“ rechnen sie mit der deutschen Regierung und insbesondere mit Bundespräsident Joachim Gauck und Innenminister Thomas de Maizière ab.
„Unsensibel, abwesend, unorganisiert und inkompetent“ – so stufen die Eltern und der Bruder von Fabrizia di Lorenzo (†31) das Verhalten der Bundesregierung nach dem Terroranschlag vom Dezember ein.

„Sie war fröhlich, geistreich, pflichttreu, sie liebte das Leben. Sie wollte eine bessere Welt“, erinnert sich der Vater Gaetano. Die junge Frau habe sich stets für die Integration islamischer Einwanderer eingesetzt: „In einem ihrer letzten Tweets hat sie sogar dazu aufgerufen, dass man Terrorismus und Einwanderung nicht miteinander verwechseln sollte“, erzählt der Bruder.

Nun sei sie jedoch von jemandem getötet worden, der sich nicht integrieren habe wollen.

Die Tragödie habe damit begonnen, so die Mutter Giovanna, dass ihre Tochter an dem besagten Abend im Dezember längere Zeit telefonisch nicht erreichbar gewesen sei. Schließlich habe sich ein Mann auf Englisch gemeldet und erklärt, dass er das Handy auf dem Weihnachtsmarkt gefunden habe und es demnächst den Polizisten überreichen werde.

Zuerst hätten sie nach diesem Anruf gedacht, dass Fabrizia ihr Mobiltelefon womöglich verloren haben könnte, doch dann kamen die ersten Meldungen über den Anschlag. „Als wir von dem Attentat hörten, habe ich im italienischen Außenministerium angerufen. Mit dem ersten Flugzeug sind mein Sohn und ich am nächsten Morgen nach Berlin geflogen.“

In Deutschland angekommen seien sie dann nur von der italienischen Botschaft und Freunden unterstützt worden. „Es folgten drei endlose Tage ohne jegliche psychologische Betreuung, während wir wie verrückt gelitten haben und keine einzige deutsche Behörde sich dazu bequemt hat, uns etwas zu sagen“, berichtet Giovanna.

Erst am 22. Dezember brachte ein DNA-Test endlich Gewissheit – ihre Tochter ist unter den Opfern. Die trostlose Mutter ist jedoch überzeugt, dass die Polizei bereits am 20. Dezember davon gewusst haben soll.

Während die Nachricht in Italien bereits hohe Wellen schlug und der Bürgermeister ihrer Heimatstadt Sulmona einen Tag der Trauer ausgerufen hatte, ließ sich in Berlin noch kein einziger Repräsentant der deutschen Regierung blicken lassen: „Abgesehen von einer Polizistin, die ohne ein einziges Wort zu sagen das DNA-Material abgenommen hatte. Wir wurden nie kontaktiert, es gab dazu auch noch keinen Dolmetscher, wir sind völlig allein gelassen worden. Wir mussten ständig nachfragen, darauf bestehen. Genauso haben sie sich auch mit den anderen Familien verhalten, auch mit deutschen.“

Das schlimmste sei jedoch gewesen, dass viele Familienangehörige Rechnungen von der Leichenhalle erhalten hätten, die später doch nicht bezahlt werden mussten.

Es gehe nicht um Geld, erklärt Giovanna, doch es mache einen wütend, wenn die Toten wie übliche Unfallopfer behandelt würden – das Opferentschädigungsgesetz sehe in diesem Fall nämlich keine Geldsummen vor, da die Tat mit einem Kraftfahrzeugen verübt worden ist. „Keine Geldsumme könnte das Leben unserer Tochter aufwiegen. Doch wir fühlen uns einfach betrogen.“

Erst knapp zwei Monate später, am 17. Februar, seien Angehörige der Berliner Anschlagsopfer von Bundespräsident Joachim Gauck nach Berlin eingeladen worden. So reagierte das Staatsoberhaupt auf die anhaltende Kritik am staatlichen Gedenken für die Opfer.

Dort hätten die Familien dem deutschen Präsidenten ihre Enttäuschung über den „Mangel an Sensibilität und Menschlichkeit“ ausgedrückt und erklärt, dass „Deutschland trotz seines internationalen Ansehens sich als ineffizient und unfähig erwiesen hatte.“

„Fassungslos antwortete er, dass er sich im Klaren sei, dass Dinge nicht perfekt funktioniert hätten, er aber ausgerechnet von diesem Punkt nicht gewusst hätte, und entschuldigte sich“, erzählt Vater Gerardo. „Als aber dann Innenminister de Maizière sagte, dass man so einen Anschlag gar nicht erwartet hätte, fingen alle Familienmitglieder, etwa fünfzig Menschen, um den riesigen Konferenztisch an, laut zu schreien.“

„Wir wollen einfach, dass die Deutschen öffentlich zu ihrer Verantwortung stehen – in einem Wort: Gerechtigkeit“, betonen die Di Lorenzos.

Quelle : sputnik.de

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