Dabei hat auch Kern, der Bundeskanzler, durchaus Aufsehen erregt. Und das hatte auch mit einem Artikel zu tun, den der Vorsitzende der sozialdemokratischen SPÖ auf ein Ersuchen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hin veröffentlicht hat.
Kern präsentiert sich in dem Essay als optimistischer Linker, der das Wirtschaftswachstum in Europa mit einem kräftigen Investitionsprogramm wiederbeleben möchte. Außerdem kritisierte er die transatlantischen Freihandelsabkommen.
„Linker Ideologieträger“
In Wien stieß das nicht nur auf Zustimmung. Die Industriellenvereinigung sprach von „Linkspopulismus“, und sogar der ÖVP-Politiker Hans Jörg Schelling, der als Finanzminister mit Kern am Koalitionstisch sitzt, bezeichnete den Kanzler als „linken Ideologieträger“. Seitdem haben sich die ohnehin schon kursierenden Gerüchte vervielfacht, dass die Koalition vor dem Bruch und vorzeitige Parlamentswahlen ins Haus stünden.
Zumal es schon wieder einen neuen Konflikt gibt. Diesmal geht es um die Besetzung von Posten in der Leitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Da boten SPÖ und ÖVP ganz in der Tradition der Aufteilung des Landes auf zwei „Reichshälften“ ihre Kandidaten auf.
Doch ganz untraditionell kam es nicht zum sattsam bekannten „Do ut des“; die „schwarzen“ Parteigänger gingen fast leer aus. Eine ähnliche Feldschlacht im Gartenzwergformat war bereits vor einem Monat bei der Bestellung des ORF-Generaldirektors geführt worden, auch dort obsiegte der „rote“ Kandidat, der langjährige Amtsinhaber Alexander Wrabetz.
Pannen um Präsidentschaftswahl zerren an den Nerven
Vor der Sommerpause war das Spielchen andersherum gelaufen, als es um einen neuen Rechnungshofpräsidenten ging. Die ÖVP setzte die ihr zugerechnete Margit Kraker gegen „rote“ Aspiranten durch. Sie hatte zuvor mit der rechten Partei FPÖ in dieser Sache zu paktieren gedroht und damit ihren eigentlichen Koalitionspartner ausmanövriert.
Hinzu kommen unablässige Sticheleien in dieser oder jener Kleinigkeit. Auf ÖVP-Seite tut sich hier besonders der Fraktionsvorsitzende Reinhold Lopatka hervor. Der jüngste Zusammenstoß in Sachen ORF werde von ÖVP-Leuten als Casus Belli betrachtet, berichtete die Zeitung „Die Presse“ und titelte: „ORF-Eklat bringt Neuwahlen näher.“
Obgleich das mit alldem direkt nichts zu tun hat, zerrt zweifellos auch das desaströse Bild, das die ständigen Pannen bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten ergeben, an den Nerven. Aus Sicht von SPÖ und ÖVP, die bisher praktisch alle Staatspositionen in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg unter sich ausgemacht haben, war es schlimm genug, dass ihre Kandidaten in der ersten Wahlrunde im April sang- und klanglos ausgeschieden waren.
Wer wird wen verschlucken?
Jetzt, nach der annullierten Stichwahl und der verschobenen Wiederholungs-Stichwahl, müssen sie auch noch einem auf ein halbes Jahr ausgedehnten grün-blauen Zweikampf zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer (die Parteifarbe der FPÖ ist blau) zusehen. Besonders Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) macht keine glückliche Figur.
Er reagierte zuerst unentschlossen auf das Problem mit den defekten Briefwahlkarten. Dann griff er zu dem drastischen Mittel einer Verlegung des Wahltags. Und dabei kündigte er an, den Auftrag für neue Wahlkarten freihändig an ein anderes Unternehmen zu vergeben – offenbar ein Verstoß gegen das Vergaberecht, der den neuen Termin 4. Dezember wieder zu gefährden drohte. Jetzt steuerte er wieder um, wie die „Presse“ schreibt, und sucht eine neue Rechtskonstruktion für die Auftragsvergabe.
Obgleich offiziell dergleichen Absichten dementiert werden, bereiten sich SPÖ und ÖVP bereits darauf vor, im kommenden Frühjahr vorzeitig Parlamentswahlen abzuhalten. Das wäre anderthalb Jahre vor der Zeit. Für die SPÖ wird so oder so Kern ins Rennen gehen.
Der „Django-Effekt“ ist verpufft
Er hat erst vor einem halben Jahr den glücklosen Werner Faymann an der Spitze von Partei und Regierung abgelöst. Der ÖVP-Vorsitzende und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist zwar auch erst seit einem Jahr im Amt.
Aber der anfängliche „Django-Effekt“, nach einem Spitznamen aus Mitterlehners Studentennamen, ist bald verpufft. In der ÖVP läuft daher alles auf den Jungstar hinaus, Außenminister Sebastian Kurz, der inzwischen immerhin das 30. Lebensjahr erreicht hat. Er selbst hält sich zwar zurück, doch von seinen Gefolgsleuten wird der innerparteiliche Kessel kräftig befeuert.
Kommende Woche haben Kern und Kurz ein gemeinsames Reiseziel, nämlich New York. Sowohl der Kanzler als auch der Außenminister wollen an der UN-Generalversammlung teilnehmen. Vielleicht nutzen sie die Gelegenheit, um zu besprechen, wie es weitergeht. Denn noch ist nicht klar, ob Kurz Kern oder Kern Kurz verschluckt – oder ein Dritter alle beide.
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