Kein einziges Problem wird gelöst, wenn man die Deutschen in die rechte Ecke stellt

  30 April 2019    Gelesen: 443
Kein einziges Problem wird gelöst, wenn man die Deutschen in die rechte Ecke stellt

Am 25. April 2019 hat die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung eine mehr als 300 Seiten umfassende neue Studie der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie ruft viele Fragezeichen hervor.

Die Studie hat den Titel „Verlorene Mitte. Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19“ und gibt die Ergebnisse einer Umfrage unter 1890 repräsentativ ausgewählten Deutschen wieder. Angefertigt wurde die Studie vom Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Die Friedrich-Ebert-Stiftung selbst ist die Parteistiftung der deutschen SPD.

Laut Kurzzusammenfassung soll die Studie „Auskunft über die Stabilität und Instabilität der Demokratie“ in Deutschland geben. Weiter heißt es dort: „Der Großteil der Deutschen befürwortet die Demokratie […]. Doch zugleich äußert ein Drittel auch nicht-liberale Einstellungen zur Demokratie […]. Negative Einstellungen gegenüber Asylsuchenden haben sogar zugenommen: Jede zweite befragte Person stimmt negativen Meinungen gegenüber Asylsuchenden zu. Dies ist noch einmal im Vergleich zu 2016 angestiegen, obwohl die Zahl der Asylsuchenden im Befragungszeitraum rückläufig ist. […] Auch Verschwörungsmythen finden generell in der Bevölkerung großen Zuspruch. 46 Prozent meinen, geheime Organisationen würden politische Entscheidungen beeinflussen, und jede*r zweite Befragte traut eher den eigenen Gefühlen als Expert*innen, nahezu ein Viertel der Befragten mutmaßt, Medien und Politik steckten unter einer Decke. […] Insgesamt macht die Studie deutlich: Vordergründig findet sich eine hohe Zustimmung zur Demokratie, die aber zugleich von antidemokratischen und antipluralistischen Überzeugungen begleitet wird. Die Mitte verliert ihren festen Boden und ihre demokratische Orientierung.“ (Hervorhebung durch Verfasser)

Die Studie hat ein breites Echo in Medien und Politik hervorgerufen, das sehr unterschiedlich ist. Der Großteil der privaten und öffentlich-rechtlichen Mainstream-Medien hat den Tenor der Studie unkritisch übernommen, aber es gibt auch hier Ausnahmen (zum Beispiel die Tageszeitung „Bild“). Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter, und die Bundesfamilienministerin und SPD-Politikerin Franziska Giffey haben die Studie ebenfalls unkritisch aufgegriffen und politische Forderungen gestellt, zum Beispiel ein „Demokratieförderungsgesetz“, während der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die Studie in einem längeren Beitrag für den Berliner „Tagesspiegel“ kritisiert und die Urteile der Studie in Frage gestellt hat. Auch Verbände wie der Lehrerverband Verband Bildung und Erziehung (VBE) haben eine kritische Analyse der Studie erst gar nicht abgewartet, sondern sogleich Forderungen gestellt, die grundsätzlich zwar richtig sind, aber wenig mit der Studie zu tun haben.*

Würden die Urteile in der von der Friedrich-Ebert-Stiftung selbst formulierten Ergebniszusammenfassung tatsächlich stimmen, müsste man in der Tat in Sorge sein. Da wird gleich zu Beginn einer der Autoren der Studie, Andreas Zick, wie folgt zitiert: „Wenn menschenfeindliche Vorurteile, rechtspopulistische wie rechtsextreme oder neurechte Einstellungen, der Glaube an Verschwörungen, Misstrauen und illiberale Demokratieeinstellungen, verbreitet sind […], dann erleidet die Mitte der Gesellschaft Verluste und die Demokratie wird instabil.“ Hierzu aber hat das SPD-Mitglied Sigmar Gabriel überzeugend dargelegt, dass es unzulässig ist, wesentliche Ergebnisse der Studie mit „rechtsextrem“, „rechtspopulistisch“, „verschwörungstheoretisch“ oder gar „menschenfeindlich“ in Verbindung zu bringen. Und die folgenden Fragen stellen sich zu Recht: Soll mit derartigen Adjektiven und Etikettierungen eine sachliche Auseinandersetzung mit der Meinung der befragten Deutschen verhindert werden? Ist es nicht vielmehr so, dass die auch von der Studie festgestellten Ergebnisse, dass 86 Prozent der Befragten es für unerlässlich halten, dass Deutschland demokratisch regiert wird, und 93 Prozent der Ansicht sind, dass Würde und Gleichheit an erster Stelle stehen sollten, sehr wohl zu den Ergebnissen passen, die von der Studie als „rechtspopulistisch“, „illiberal“ oder „verschwörungstheoretisch“ diffamiert werden?

Die Tatsache, dass 54 Prozent der befragten Deutschen Vorbehalte gegenüber Asylbewerbern haben, beurteilt die Studie als „Menschenfeindlichkeit“. Sigmar Gabriel schreibt dazu: Zum „Vertrauensverlust gegenüber der Handlungsfähigkeit ‚der Politik‘ zählt für nicht wenige der Kontrollverlust in den Jahren massenhafter Zuwanderung von Flüchtlingen. […] Ist es wirklich so erstaunlich, dass es ein Gefühl der Unsicherheit hinsichtlich der Zuwanderer gibt? Warum fürchten wir uns eigentlich davor, offen zu sagen, dass ‚zu viele in zu kurzer Zeit‘ gekommen seien und deshalb die Integration in die deutsche Gesellschaft nicht ausreichend gelungen ist.“ Und weiter unten: „Es ist unfassbar dumm, wenn man jemanden in die Nähe von Ausländerfeinden rückt, nur weil er meint, dass Recht und Ordnung auch im Asylrecht gelten müssen und zu viele abgelehnte Asylbewerber im Land bleiben.“ Die Wochenzeitung Die Zeit hat wie viele andere deutsche Medien dem Tenor der Studie vollauf zugestimmt. Interessant ist das von der Zeitung ausgewählte Beleg-Bild: Ein AfD-Mitglied mit einem T-Shirt mit der Aufschrift: „Unser Land. Unsere Regeln“. Wieso gilt dies heute als verwerflich?

Wenn Politiker und Medien immer wieder wie gleichgeschaltet Stellung nehmen und Politik machen und sich sehr viele Bürger dadurch nicht mehr vertreten sehen, ist es dann so verwunderlich, dass viele der Befragten sagten, die „Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit“ (mehr als 30 Prozent), „die regierenden Parteien betrügen das Volk“ (22 Prozent), es gäbe eine Meinungsdiktatur in Deutschland (55 Prozent), dass „nahezu ein Viertel der Befragten mutmaßt, Medien und Politik steckten unter einer Decke“ und 46 Prozent finden, es gäbe geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Ist all das „rechtspopulistisch“, „illiberal“ und „verschwörungstheoretisch“?

sputniknews


Tags:


Newsticker