Der Konflikt zwischen der äthiopischen Regierung und Milizen in der abtrünnigen Region Tigray eskaliert immer mehr. Nun hat Äthiopien der rebellischen, in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF Raketenangriffe auf die Nachbarregion Amhara vorgeworfen. Am Freitagabend seien von Tigray aus Raketen in Richtung der Städte Bahir Dar und Gondar abgefeuert worden, erklärte die Regierung in Addis Abeba. Dabei seien die Flughäfen beider Städte beschädigt worden.
Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und andere sind besorgt, dass sich die Kämpfe auf andere Teile Äthiopiens, dem zweitbevölkerungsreichsten Land Afrikas, ausweiten. Es bestehe die Gefahr, dass die weitere Region am Horn von Afrika mit Ländern wie Somalia und Kenia destabilisiert werden könnte.
Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed erhielt erst vergangenes Jahr den Friedensnobelpreis für seine Bemühungen im Konflikt mit Eritrea. Unterdessen kämpft seine Armee gegen die Abtrünnigen, die zur Ethnie der Tigray aus dem Norden des Landes gehören. Bis Abiy an die Macht kam, bestimmten sie die Politik im Land maßgeblich.
Jeder zum Angriff genutzte Flughafen ein "legitimes Ziel"
Der Anführer der in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF, Debretsion Gebremichael, sagte, er habe keine Informationen über die angeblichen Raketenangriffe. "Jeder Flughafen, der zum Angriff auf Tigray benutzt wird, ist ein legitimes Ziel, nicht die Städte von Amhara", fügte er jedoch hinzu. Die Streitkräfte des Regionalstaates Amhara kämpfen an der Seite ihrer föderalen Kollegen gegen die Kämpfer von Tigray.
Yohannes Ayele, ein Einwohner von Gondar, sagte laut Nachrichtenagentur Reuters, er habe um 22.30 Uhr im Stadtteil Azezo eine laute Explosion gehört. Eine Rakete habe das Terminalgebäude des Flughafens beschädigt, sagte ein anderer Bewohner des Viertels. Das Gebiet wurde abgeriegelt, und Feuerwehrfahrzeuge seien draußen geparkt, fügte der Anwohner hinzu. Ein Mitarbeiter der Ethiopian Airlines, der nicht identifiziert werden wollte, sagte, dass Flüge zu den beiden Flughäfen Gondar und Bahir Dar nach den Angriffen gestrichen worden seien.
Menschenrechtskommission untersucht Massaker-Vorwurf
Der militärische Konflikt zwischen den Truppen der äthiopischen Zentralregierung in Addis Abeba und den Kämpfern der TPLF war Anfang des Monats voll entbrannt. Hunderte von Menschen sind darin bereits getötet worden. Seither flohen nach UN-Angaben mehr als 14.500 Menschen vor den Kämpfen in den benachbarten Sudan. Die Geschwindigkeit der Neuankömmlinge überfordere bereits "die derzeitige Kapazität zur Bereitstellung von Hilfe", warnte das UN-Flüchtlingshilfswerk am Freitag.
"Die TPLF-Junta setzt die letzten Waffen in ihren Arsenalen ein", schrieb die Notfall-Task-Force der äthiopischen Regierung nun auf Twitter. Premierminister Abiy schickte vergangene Woche die nationale Verteidigungstruppe zu einer Offensive gegen lokale Truppen in Tigray, nachdem er sie beschuldigt hatte, Bundestruppen anzugreifen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte am Donnerstag zudem über ein Massaker an Zivilisten in Tigray mit vermutlich hunderten Todesopfern berichtet. Wer für den Angriff in der Stadt Mai-Kadra verantwortlich war, blieb zunächst unbekannt. Die äthiopische Menschenrechtskommission, die von der Regierung eingesetzt wurde, aber unabhängig ist, teilte mit, dass sie ein Team von Ermittlern nach Mai-Kadra entsenden will.
spiegel
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