Die EZB begründet die geplante Abschaffung des Geldscheins mit dem Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Der 500er gehört weltweit zu den Scheinen mit dem größten Wert. Nach Angaben der EU-Polizeibehörde Europol machten diese Banknoten Ende 2014 allein etwa ein Drittel des Gesamtwerts aller ausgegebenen Euro-Geldscheine aus. Das waren grob 300 Milliarden Euro.
Es stelle sich die Frage, wofür diese Geldscheine eigentlich benötigt würden, schrieb die Polizeibehörde in ihrer Analyse vom vergangenen Juli. Sie seien kein übliches Zahlungsmittel, viele Bürger hätten sie noch nie gesehen. "Fürs Einkaufen braucht die niemand, damit wickeln lichtscheue Gestalten ihre Geschäfte ab", sagt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger.
Bargeld sei weiterhin eines der gängigsten Geldwäscheinstrumente in fast allen Bereichen organisierter Kriminalität, so Europol. Diese laufe weiter "in überwältigendem Maße traditionell". Soll heißen: Praktisch alle Verbrechernetzwerke benutzen Bargeld, um die Herkunft ihrer Einnahmen zu verschleiern, diese – auch über Landesgrenzen – zu transportieren und in die legalen Wirtschafts- und Finanzkreisläufe einzuspeisen. Bargeld ist anonym, kann blitzschnell den Besitzer wechseln und lässt sich kaum zurückverfolgen.
Zudem ist Deutschland einer neuen Studie zufolge ein Mekka der Geldwäsche. Das "Dunkelfeld im Nicht-Finanzsektor", zum Beispiel bei Immobiliengeschäften, im Autohandel oder auf den Kunstmarkt – bewege sich wahrscheinlich in der Größenordnung in Höhe von über 100 Milliarden Euro jährlich", heißt es in der Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegeben wurde.
"Ohne Bargeld werden wir zu Geiseln der Banken"
Doch Wunderdinge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität würde ein Verbot des 500ers wohl nicht bewirken. Fachleute sprechen von einem "Mosaikstein". Die Bundesbank ist deshalb skeptisch. Verbrecher seien ja nicht zwingend auf derart große Scheine angewiesen, sagt Vorstand Thiele. Das zeige der Blick in die USA, wo es nichts oberhalb des 100-Dollar-Scheins gebe. "Mir ist aber nicht bekannt, dass es in den USA deshalb weniger Kriminalität gäbe als bei uns."
Viele Gegner der geplanten Abschaffung des 500ers halten die Begründung der EZB daher für vorgeschoben. Ihr Vorwurf: Die EZB wolle das Bargeld schrittweise ganz abschaffen, um Negativzinsen auch auf Girokonten durchzusetzen. Bisher könnten Bankkunden in diesem Falle aufs Bargeld ausweichen – diese Möglichkeit wäre ihnen dann genommen. "Ohne Bargeld werden wir zu Geiseln der Banken. Die Politik hat sich die Finanzbranche schon weitgehend gekauft, nun sollen auch die Bürgerinnen und Bürger noch erpressbar gemacht werden", sagt Wirtschaftsprofessor Max Otte gegenüber n-tv.de
"Der politische Wille, eine Beschränkung durchzusetzen, scheint da zu sein - auch gegen den Willen der Bevölkerung", so Buch-Autor Norbert Häring im Gespräch n-tv.de. "Wenn irgendwann 50- oder 20-Euro-Scheine oder etwas Vergleichbares in Europa die größten Geldscheine sind, dann ist Bargeld schon so weit an den Rand gedrängt, dass es eine Abschaffung nicht mehr wirklich stört."
Die Befürchtungen vieler Gegner der geplanten Abschaffung gehen noch weiter. Sie vermuten, dass ein weiterer Schritt hin zum "gläsernen Konsumenten" unternommen wird. "Hitler oder Stalin hätten sich über ein solch perfektes Kontrollinstrument gefreut", sagt Ökonom Otte. Deutschlands oberster Verbraucherschützer formuliert zurückhaltender: "Der Einstieg in den Ausstieg vom Bargeld öffnet das Tor für eine absolute Kontrolle der Verbraucherinnen und Verbraucher", warnt Klaus Müller. "Wer kauft wann, was, zu welchem Preis, an welchem Ort? In Zeiten von Big Data gibt es keinen besseren Datenschutz als bares Geld."
Weidmann kann überstimmt werden
Die EZB versichert zwar, dass es nicht um die Abschaffung des Bargelds geht. Doch vor dem Hintergrund der Diskussionen um eine europaweite Begrenzung der Bargeldzahlungen droht offensichtlich die Gefahr, dass sich bei vielen Deutschen der Eindruck einstellt, dass ihnen das Bargeld stückweise entzogen wird. Da ist es für EZB-Chef Mario Draghi wenig hilfreich, dass sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bisher gegen die geplante Abschaffung des 500ers ausgesprochen hat.
Darüber kann sich der EZB-Rat aber hinwegsetzen. Er besteht aus sechs Direktoriumsmitgliedern und den Gouverneuren der 19 nationalen Bundesbanken. Für eine Abschaffung des 500-Euro-Scheins reicht eine einfache Mehrheit.
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