Riesiger Betrug, historische Konsequenzen: Im aufsehenerregenden Skandal um systematisches Doping hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF mit einer bis dato einzigartigen Strafe reagiert und wie gefordert den russischen Verband vorläufig suspendiert. Das entschied das 27-köpfige IAAF-Council unter Vorsitz von Präsident Sebastian Coe.
Damit dürfen russische Leichtathleten ab sofort nicht mehr bei internationalen Wettkämpfen antreten - eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio 2016 wäre nach derzeitigem Stand so gut wie ausgeschlossen. Die IAAF stellte sich damit auch gegen den im Weltsport mächtigen russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. "Dies ist die härteste Strafe, die wir derzeit verhängen können", teilte Coe in einer IAAF-Erklärung mit: "Aber wir haben diskutiert und sind übereingekommen, dass das ganze System versagt, nicht nun in Russland, sondern in der ganzen Welt. Dies war ein beschämender Weckruf und wir sind uns klar, das jedweder Betrug nicht toleriert wird."
Russland kündigt Kooperation an
Das russische Council-Mitglied Michael Butow hatte in der Konferenz den Standpunkt der ARAF dargelegt - durfte an der Abstimmung aber nicht teilnehmen. Sein Sportminister Witali Mutko hatte vor der Verkündung der IAAF-Entscheidung bereits erklärt, man werde vollständig mit der IAAF kooperieren und "machen, was uns die IAAF sagt". Die IAAF erfüllte mit ihrem Spruch die Hauptforderung der unabhängigen Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur. Diese hatte am Montag in Genf ihren Untersuchungsbericht veröffentlicht und darin massive Verfehlungen in der russischen Leichtathletik und auch im Weltverband IAAF dokumentiert.
So sollen positive Dopingproben russischer Athleten unter Mithilfe hoher Funktionäre vertuscht worden seien. Gegen den langjährigen IAAF-Präsidenten Lamine Diack und weitere Mitwisser wurde inzwischen in Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche eingeleitet. "Das ist sportpolitisch eine einmalige Entscheidung und kann eine heilsame Wirkung haben", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop dem SID: "Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf um die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit im Sport. Damit kann auch ein Warneffekt an andere Länder ausgelöst werden, die vielleicht auch nicht den Wada-Standards entsprechen."
Kein automatisches Aus
Ein automatisches Aus für die Sommerspiele im kommenden Jahr in Rio ist die Entscheidung der IAAF allerdings nicht. Sollte Russland die tiefgreifenden Reformen rechtzeitig umsetzen, könnte die Suspendierung noch vor Olympia aufgehoben werden. Wohl das realistischste Szenario, könnten so doch alle Parteien ihr Gesicht wahren.
"Eine unserer Hoffnungen ist es, dass sie die notwendige Arbeit in der Zeit schaffen, damit russische Athleten unter neuen Rahmenbedingungen in Rio starten können", hatte auch der Kommissionsvorsitzende Richard Pound am Montag erklärt. Nach Ansicht des ehemaligen Wada-Chefs und IOC-Vizepräsidenten würden die notwendigen Änderungen allerdings "bestimmt mehrere Monate" dauern. Sein Gremium hatte dem russischen Verband eine "tief verwurzelte Betrugskultur" attestiert. Fraglich, wie sich diese innerhalb von nur weniger Monaten ändern soll. Zudem sollen staatliche Stellen zumindest von den Praktiken gewusst haben. Auch dort müssten eigentlich weitreichende personelle Änderungen vorgenommen werden.
Schon in den vergangenen Tagen waren wichtige Forderungen der Wada-Kommission erfüllt worden. Dem Moskauer Anti-Doping-Labor war die Akkreditierung entzogen worden, der Direktor Gregori Rodschenkow trat zurück. Er soll unter anderem 1417 Dopingproben zerstört haben. Zuletzt hatte sich auch Wladimir Putin in den Skandal eingeschaltet. Russlands Staatspräsident versprach Kooperation, erhöhte aber auch den Druck auf Coe und die IAAF. Erst am Donnerstag hatte die halbstaatliche russische Bank VTB angekündigt, ihren Sponsoren-Vertrag mit der IAAF nicht verlängern zu wollen.
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