Vom Toyota-Virus gepackt
Das war beileibe nicht selbstverständlich. Denn erstens kommen die Picherts aus Passau und sind damit von ganzem Herzen Bayern. Und zweitens hat der Ingenieur seine automobile Karriere auch noch bei BMW begonnen. Barockengel oder 02er vielleicht, zur Not auch Mercedes und natürlich die edlen Italiener. All das hätte man dem Autonarren zugetraut. Aber dass einer wie Pichert ausgerechnet auf die Japaner kommt und dann bei einer Marke wie Toyota hängen bleibt, das lässt sich nur mit ein paar Irrungen und Wirrungen des Schicksals erklären, sagt Picherts Freund und Wegbegleiter Günter Schneiderbanger.
Dann erzählt er von jenen Zeiten, als der Ingenieur in Passau zum Gebrauchtwagenhändler wurde und ihn irgendwann der Toyota-Virus gepackt hat. Immer und immer öfter hat er einen Wagen zur Seite gestellt und ihn lieber nicht verkauft, so Schneiderbanger. Und weil die Garage bei einem Autohändler naturgemäß ein bisschen größer war, kam so über die Jahre eine imposante Sammlung zusammen.
Vor allem Allerweltsmodelle
Natürlich besteht die vor allem aus Allerweltsmodellen, weil die Japaner schließlich nicht viel anderes gebaut haben. Doch wer sich 40 Jahre lang mit Corolla, Starlet oder Camry beschäftigt, dem kommen auch ein paar Skurrilitäten wie der im US-Stil für Europa konzipierte Corona in die Finger, mit dem die Japaner damals den Aufstieg in die Mittelklasse proben wollten. Und Autos wie die legendäre Celica in all ihren Generationen, den MR2 oder natürlich den GT200, der es als einziger Sportwagen aus Fernost zumindest im Ruhm und in der Rarität mit so manchem Ferrari aufnehmen kann, gibt es ja schließlich auch noch.
Monat für Monat wurde der Fuhrpark größer und alle paar Jahre musste Pichert eine weitere Scheune im Passauer Umland anmieten, um seine zuletzt über 100 fernöstlichen Raritäten unterzubringen. Bis er irgendwann die alte Schneiderei in Hartkirchen bei Pocking gefunden und 1994 am Rande des Passauer Bäderdreiecks das erste und einzige private Toyota-Museum im Land eröffnet.
Kein Jäger und Sammler
So sehr Pichert seine Toyota geehrt und begehrt hat, er war eigentlich weder Jäger noch Sammler. Denn von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, hat er seine Autos nicht aktiv gesucht, sagt Schneiderbanger: "Sondern in den meisten Fällen war es genau umgekehrt." Das hat mit Inzahlungnahmen bei Neuwagengeschäften begonnen und mit Schenkungen aus ganz Europa geendet. "Denn irgendwann hat sich herumgesprochen, dass Pichert ein Herz für alte Toyotas hat und die Autos bei ihm nicht auf dem Schrott landen", sagt Schneiderbanger, während er vor dem mittlerweile schon ziemlich leeren Schlüsselbrett steht, das die halbe Wand im Heizungskeller füllt und bereits zu mehr als der Hälfte nach Köln umgezogen ist.
Zahlreiche Celica, Starlet oder Corolla haben so ihren Weg nach Hartkirchen gefunden. Nur den roten GT2000, die japanische Antwort auf den Jaguar E-Type und der einzige Toyota, der es in einen James Bond-Film geschafft hat, den wollte ihm partout keiner schenken. Also musste Pichert doch ins Netz gehen, Anzeigen und Auktionskataloge flöhen und sich so manche Möhre anschauen, bis er endlich den Star in seine Sammlung stellen konnte.
Jedes Auto hat seine Geschichte
Natürlich war Pichert der GT2000 seitdem buchstäblich am meisten wert und er hat auch für Toyota den Deal mit der Sammlung erst so richtig rentabel gemacht. Doch hatte der Sammler in seinen Hallen durchaus noch ein paar mehr Lieblinge. Zum Beispiel den schwarzen Celica Liftback GT von 1977. Nicht wegen seines 2,0 Liter großen Vierzylinders mit 123 PS oder seinem mittlerweile ziemlich stumpfen Lack in Nachtschwarz. Sondern wegen seines mehr als eigenwilligen Innenlebens.
Denn nachdem eine Mutter für ihren Sohn bei Pichert eine Plastiktüte voll Bargeld für diese Wagen ausgeschüttet hatte, hat sie in den Monaten darauf auch noch das Portemonnaie für einen ziemlich spektakulären Umbau gezückt. Zwar war sie am Ende so pleite, dass sie sogar das Haus verkaufen musste, erinnert sich Schneiderbanger. Doch wäre der Celica ihres Sohnes auch als Elvis-Auto für Las Vegas durchgegangen – mit Fernseher und Fellbezug im Cockpit, Nieten auf den Sitzen, einem rot beleuchteten Unterboden und sogar Außenlautsprechern für die entsprechende Party-Beschallung.
Das erste verkaufte Auto kehrt zurück
Ganz ähnlich gestrickt ist der Toyota FJ mit dem silbernen "Chevota"-Aufkleber. Denn unter der Haube steckt kein vernünftiger Vier- oder Sechszylinder aus Japan, sondern der 5,7 Liter große Small-Block-V8 aus der Chevrolet Corvette. Und weil die einzigartige Kreuzung auch sonst ziemlich spektakulär verbastelt wurde, gehört er neben dem Feuerwehrumbau zwei Reihen weiter hinten zu den Lieblingen von Picherts Nachlassverwalter Schneiderbanger – selbst wenn der rustikale Geländewagen auf seinen grobstolligen Ballonreifen so schwer zu lenken ist, dass der Majordomus schon nach dem Ausparken reif für die Dusche ist.
Picherts absoluter Liebling war allerdings ein unscheinbarer grüner Corolla, mit dem 1971 alles angefangen hat. Denn dieser Kleinwagen war das allererste Auto, das der Toyota-Händler verkaufte. 7650 DM hat er vor über 40 Jahren dafür in Rechnung gestellt und konnte sein Glück kaum fassen, als er das Coupé Jahrzehnte später wieder zurückbekommen hat. Obwohl der Corolla als eines der meistverkauften Autos der Welt alles andere als eine Seltenheit ist, gebührt diesem Wagen deshalb ein Ehrenplatz in der Sammlung – in Hartkirchen genau wie in Köln.
Toyota rettet Picherts Vermächtnis
Wer heute in Hartkirchen eine Toyota-Rarität loswerden will, findet dort mittlerweile keinen Abnehmer mehr. Denn Peter Pichert ist im letzten Jahr gestorben, die Familie hat mit dem Neuwagenverkauf genug zu tun und Majordomus Schneiderbanger wächst die Halle der ehemaligen Schneiderei über den Kopf. Bevor die einzigartige Sammlung zerschlagen wurde, hat sich deshalb die deutsche Toyota-Zentrale in Köln eingeschaltet und die gesamten Pichert-Preziosen kurzerhand übernommen.
Zwar passt die die ehemalige Tennishalle, die nun für die Oldtimer zum Museum umgebaut wurde, nur etwa die Hälfte der Sammlung und die Kölner mussten bis auf 70 Pretiosen alle anderen Autos im Kreis der Toyota-Freunde versteigern. Doch waren sie dabei von der Resonanz selbst überrascht. Statt nur ein paar Raritäten zu verkaufen und den Rest zu verschrotten, sind sie tatsächlich alle Autos losgeworden und haben mehr erlöst als erwartet. Offenbar gibt es mehr ungewöhnliche Liebhaber für gewöhnliche Autos, als sie es sich bei Toyota vorstellen konnten. Wie gut, dass in Picherts Sammlung auch noch ein paar Plakate zu finden sind: Zum Beispiel eines mit dem alten Slogan "Nichts ist unmöglich".
Quelle: n-tv.de
Tags: