So litten Franklins Männer

  09 Dezember 2016    Gelesen: 637
So litten Franklins Männer
Eine Bleivergiftung soll schuld gewesen sein am katastrophalen Ende der historischen Arktisexpedition von John Franklin. 129 Menschen starben dabei. Doch kanadische Forscher haben nun eine neue Theorie.
Eine Handvoll Männer überlebte - weil sie vorfristig nach Hause geschickt wurden. Doch alle anderen 129 Mitglieder der Expedition des britischen Polarforschers Sir John Franklin fanden einen grausamen Tod. Sie waren im Frühjahr 1845 aus England aufgebrochen, um binnen drei Jahren im Namen der britischen Krone eine Abkürzung durch die kanadische Arktis zu finden: die Nordwestpassage vom Atlantik zum Pazifik. Das gelang nicht, so viel war nach einiger Zeit klar, doch das genaue Schicksal von Franklin und seinen Männer blieb 150 Jahre lang ungeklärt.

Suchtrupps fanden zwar die Relikte der unglückseligen Reisenden, einige Gräber auch, und seit Kurzem ist sogar die Lage der untergegangenen Expeditionsschiffe HMS "Terror" und HMS "Erebus" bekannt. Inuit-Geschichten berichteten von Kannibalismus unter den letzten Überlebenden.

Doch was genau Franklins Leuten zugestoßen war, wurde immer wieder debattiert. Es galt aber als gesichert, dass eine Bleivergiftung der Seeleute Mitschuld am Scheitern der ambitionierten Reise hatte, verursacht durch mit dem Schwermetall verlötete Konservendosen. Neue Forschungsergebnisse legen nun allerdings eine andere Möglichkeit nahe: Das Blei könnte demnach nicht primär für den Tod der Seeleute verantwortlich sein, sondern wäre nach dieser Lesart vielmehr das Produkt einer anderen Erkrankung.

Das jedenfalls berichten Forscher um Jennie Christensen vom kanadischen Unternehmen Stantech im "Journal of Archaeological Science". Sie hatten einen Nagel des Matrosen John Hartnell an der Canadian Light Source in Saskatoon analysiert, mit den Verfahren der Mikroröntgenfluorenzenzanalyse, der Laserablation und Isotopenuntersuchungen. Hartnells mumifizierte Überreste waren im Jahr 1984 auf der Beechey-Insel in der kanadischen Arktis ausgegraben worden.

Hartnell, zum Zeitpunkt seines Todes 25 Jahre alt, war dort am 4. Januar 1846 zur letzten Ruhe gebettet worden. Er hatte auf der "Erebus" gedient und gehörte zu den ersten Opfern der todgeweihten Expedition. Bei ihren Untersuchungen fanden die Forscher nun heraus, dass der Arktisreisende über längere Zeit unter massivem Zinkmangel gelitten haben muss. Aus der Mangelernährung könnten sich Probleme mit seinem Immunsystem und anschließend etwa der Tod durch Tuberkulose und Lungenentzündung im harten Winterklima entwickelt haben.

Eigentlich hätten genug Dosen an Bord sein müssen

Der menschliche Körper braucht das Spurenelement Zink für verschiedene Stoffwechselvorgänge, es ist für Haut- und Schleimhäute sowie das Immunsystem wichtig. Bei einer ausgewogenen Ernährung kann man es zum Beispiel über rotes Fleisch, Käse, Linsen oder Soja zu sich nehmen.

Christensen und ihre Kolleginnen und Kollegen gehen davon aus, dass Hartnells Zinkmangel indirekt Schuld an den hohen Bleiwerten in seinem Körper war. Diese seien erst in der letzten Phase seines Lebens aufgetreten, möglicherweise, weil der Körper des Seemannes mit den Folgen der Tuberkulose zu kämpfen gehabt habe. Infolge habe er massiv an Gewicht verloren, wodurch große Mengen Blei aus den Knochen ins Blut freigesetzt worden sein könnten.

In den Wochen vor seinem Tod habe Matrose Hartnell immer weniger Fleisch gegessen, berichten die Wissenschaftler aufgrund ihrer Analysen. Dabei hätte die Expedition zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch große Mengen an Dosennahrung bei sich haben müssen - schließlich war sie auf drei Jahre Reisezeit ausgelegt. Doch womöglich seien viele der Konserven verdorben gewesen, so die Forscher, sodass die Rationen hätten verkleinert werden müssen - offenbar mit fatalem Ausgang.

Die Forscher stellen in ihrem Artikel klar, dass sich ihre Aussagen nur auf den Fall des einen untersuchten Seemannes beziehen - sagen aber auch: "Hartnells Nagel legt nahe, dass andere Männer auf Franklins Expedition ein vergleichbares Schicksal gehabt haben könnten."

Quelle : spiegel.de

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